Nicht Obduktionen, sondern die Analysen von Gewebe lebender Patienten sind ihre Hauptaufgabe – für die Therapie

Professor Dr. Joachim Gottschalk arbeitet mit seinem 15-köpfigen Team – vier Ärzte, elf Assistenten und Bürokräfte – in einem Haus, das ein bisschen abseits steht von den übrigen Gebäuden auf dem Gelände der Asklepios Klinik Nord Heidberg. Er ist dort Chefarzt der Pathologie und Neuropathologie. Von seinem Beruf haben viele immer noch eine falsche Vorstellung: Wer „Pathologe“ hört, denkt erst einmal an „Sektion“, also die abschließende Untersuchung einer Leiche, um die Todesursache zu klären. „Das ist Qualitätssicherung fürs Krankenhaus, für die Versicherung oder wird mitunter von Angehörigen gewünscht“, sagt Gottschalk. Doch Sektionen sind keine zentrale Aufgabe mehr in der Pathologie, sie machen lediglich zehn Prozent des Berufsalltags aus. Beispiel Heidberg: „Hier werden nur etwa 100 Sektionen im Jahr durchgeführt“, sagt der Chefarzt.

Im Vordergrund steht für den Pathologen heutzutage die Untersuchung von Gewebe der lebenden Patienten. Vor allem geht es dabei um den intraoperativen Schnellschnitt. Das ist eine Gewebeprobe, die dem Patienten während einer Operation entnommen wird. „Überwiegend handelt es sich dabei um Tumorpatienten“, erklärt Joachim Gottschalk. Der Pathologe muss dann so schnell wie möglich beurteilen, ob der Tumor gut- oder bösartig ist, wie zügig und raumgreifend er sich voraussichtlich weiterentwickeln wird und welche Therapie für den Patienten die beste ist. „Vom Eintreffen des Gewebes im pathologischen Institut bis zu unserem Anruf im OP dauert es nur zehn bis zwölf Minuten“, sagt Joachim Gottschalk. Die Beurteilung der Schnellschnitte sei das Verantwortungsvollste an seinem Beruf. „Weil man die Entscheidung – zum Beispiel, ob eine Brust entfernt werden muss – nicht zurücknehmen kann.“

Doch nicht immer geht es im Labor um Tumore. „Die Pathologie befasst sich auch mit Entzündungen wie beispielsweise den entzündlichen Darmerkrankungen“, erklärt Professor Karl-Friedrich Bürrig vom Bundesverband Deutscher Pathologen. Morbus Crohn etwa kann so diagnostiziert werden.

Bevor ein Pathologe am Mikroskop die Diagnose stellen kann, werden die eingelieferten Gewebeproben und Organe präpariert. Im Eingangslabor werden sie mit einem scharfen Messer zugeschnitten, in Paraffinwachs eingebettet, mit speziellen Maschinen in hauchdünne Scheiben geschnitten, auf Objektträger gelegt und eingefärbt. Am Ende liegt das sogenannte Schnittpräparat – es sieht aus wie ein rosafarbener Fleck – unter dem Mikroskop.

„Es werden immer mehr Pathologen gebraucht“, sagt Chefarzt Gottschalk. Die Anzahl der Untersuchungen sei gestiegen, auch aufgrund des Trends hin zur personalisierten Medizin und damit zu einer individuellen Krebstherapie. „Darüber hinaus ist die interdisziplinäre Zusammenarbeit stärker geworden“, ergänzt Bürrig. Die Pathologie steht mit vielen klinischen Disziplinen wie Chirurgie, Frauenheilkunde, Urologie oder Dermatologie in Kontakt. In gemeinsamen Konferenzen werden die Befunde der Patienten vor und nach der Operation sowie das weitere Vorgehen besprochen, erklärt Chefarzt Joachim Gottschalk. Die Arbeitsbelastung habe dadurch in den vergangenen Jahren zugenommen, unterstreicht Professor Holger Moch, Vorstandsmitglied der Deutschen Gesellschaft für Pathologie.

Wer Pathologe werden will, muss Medizin studieren. „Darauf aufbauend folgt eine fünf- bis sechsjährige Weiterbildung zum Facharzt mit anschließender Facharztprüfung“, sagt Moch. Wichtige Fähigkeit über eine ausdauernde Lust am Lernen hinaus ist ein gutes Auge für Struktur und Form des Gewebes, das man unter dem Mikroskop hat. „Als Pathologe sollte man ein visuelles Gedächtnis haben“, sagt Professor Gottschalk. „Denn man muss in der Lage sein, aus einem feingeweblichen Bild sofort eine Diagnose zu folgern.“ Und das schaffe nur, wer das Aussehen möglichst vieler der verschiedenen Tumore, die beim Menschen auftreten können, im Kopf habe. Nicht zuletzt nennt Gottschalk auch den Fleiß als wichtige Eigenschaft. „Learning by Doing reicht nicht, man muss sich sehr intensiv mit der Fachliteratur beschäftigen.“

Für Karl-Friedrich Bürrig vom Verband sind darüber hinaus zwei weitere Punkte sehr wichtig. „Ein guter Pathologe besitzt die Fähigkeit zur Selbstkritik und Kommunikation“, sagt er. Er müsse seine Diagnosen stets kritisch betrachten und mit Einwänden von anderen konstruktiv umgehen können.

Nicht zuletzt dank der vielen TV-Serien, in denen Pathologen als coole Spurensucher porträtiert werden (s. Info), zieht der Fachbereich viele Studenten an. Selbst Schülerpraktikanten bewürben sich stets mehr, als er Hospitationen zur Verfügung stellen könne, sagt Chef-Pathologe Gottschalk. Nachwuchssorgen habe der Fachbereich nur, weil es zurzeit noch zu wenig Stellen für Pathologen in Ausbildung gibt.