Flexibel sein, nah der Familie, mehr Ruhe als im Großraum – das Homeoffice hat Vorteile. Aber es braucht Selbstdisziplin

Langer Arbeitsweg, nervige Kollegen und schlechte Luft im Großraum: Darauf würde jeder Angestellte gern verzichten. Wer von zu Hause arbeitet, hat diese Probleme nicht. Doch das Homeoffice passt nicht zu jedem. Um in den eigenen vier Wänden genauso produktiv zu sein wie in der Firma, braucht es eine gehörige Portion Disziplin und ein durchdachtes Zeitmanagement.

Heute ist es nicht selten, dass Beschäftigte von zu Hause aus arbeiten: Jeder dritte macht das regelmäßig, hat die repräsentative Studie „Arbeit 3.0“ des IT-Branchenverbands Bitkom 2013 ergeben. 21 Prozent von ihnen sind demnach täglich im Homeoffice tätig, jeder Zehnte an mehreren Tagen pro Woche. 86 Prozent der Berufstätigen, die teilweise zu Hause arbeiten, glauben, dass sie so Job und Familie besser vereinbaren können.

Gerade für Mütter und Väter in Teilzeit bieten sich die Heimarbeitsplätze an: Für sie ist der zusätzliche Zeitaufwand fürs Pendeln zur Arbeit besonders hinderlich, und wenn sie aufgrund ihrer Familienpflichten die vereinbarten Arbeitsstunden tagsüber nicht leisten konnten, haben sie die Möglichkeit, die fehlende Stunde abends nachzuholen.

„Das ist eine Win-win-Situation für Arbeitgeber und Arbeitnehmer“, sagt Martin Braun vom Fraunhofer Institut für Arbeitswirtschaft. Einwände, dass im Homeoffice Tempo und Qualität der Arbeit litten, entkräftet er: „Ich glaube nicht, dass es vom Ort abhängig ist“, sagt Braun. „Es ist eher eine Frage der inneren Motivation.“ Jenseits der Stechuhr arbeiten Menschen ihm zufolge sogar mehr. Eine repräsentative Befragung des Bürodienstleisters Regus stützt diese These. Demnach sitzt jeder fünfte Angestellte im Heimbüro täglich länger als elf Stunden am Schreibtisch.

Möglicherweise sind diese Menschen dennoch zufriedener. Wer von zu Hause aus arbeite, habe oft weniger Zeitdruck und könne sich den Tag flexibler einteilen, sagt Psychologe Dietrich Manzey. Er arbeitet am Institut für Psychologie und Arbeitswissenschaft der Technischen Uni Berlin. Doch auch er sieht Schattenseiten. Gerade weil der Zeitdruck fehlt, fingen viele an zu trödeln, sagt der Psychologe. Wer das einreißen lässt, schafft seine Zielvereinbarungen nicht und bekommt spätestens beim nächsten Mitarbeitergespräch Ärger.

Ob man ein Typ für Heimarbeit ist, hängt also von der Persönlichkeit ab und davon, ob man auch ohne Chef in der Nähe strukturiert arbeiten kann. Die äußeren Gegebenheiten tun ihr Übriges. „Wer im Homeoffice erfolgreich sein will, sollte deshalb zunächst einmal darauf achten, Wohn- und Arbeitsbereich strikt zu trennen“, rät Motivationscoach Christian Weilmeier. Ideal sei ein eigenes Arbeitszimmer. Wie viel der Kosten für Ausrüstung und Telekommunikation die Firma übernimmt, ist eine Frage der Absprache.

Ein vernünftig ausgestatteter Arbeitsbereich hat den Vorteil, dass er dem Beschäftigten vermittelt, morgens tatsächlich in sein Büro zu gehen – an den Platz, wo er im Sinne seiner Firma arbeiten wird und der für nichts anderes, etwa lange private Telefonate, nebenbei genutzt wird. Das Gefühl des Zur-Arbeit-Gehens wird auch durch passende Kleidung verstärkt. Wer sich so anzieht, wie er es auch für den Gang ins Büro seine Arbeitgebers tun würde, gibt seiner Tätigkeit die nötige Seriosität und Ernsthaftigkeit.

Um Wichtiges nicht auf die lange Bank zu schieben, sollten sich Heimarbeiter einen Zeitplan machen. „Am besten stellen sie sich den Ablauf des nächsten Tages am Vorabend zusammen“, rät Motivationstrainer Weilmeier. Gefährlich sei, Stück für Stück nachlässiger zu werden, etwa, indem man jeden Tag das morgendliche Aufstehen um ein paar Minuten hinausschiebt. Heimarbeiter sollten sich an einen festen Arbeitsbeginn halten. Flexibilität ist dennoch erlaubt: Die Arbeitszeiten können Berufstätige nach ihren produktiven Phasen ausrichten, sagt Psychologe Manzey. Jedoch nicht, ohne Chef und Kollegen über abweichende Anwesenheit zu informieren: Versucht der Vorgesetzte mehrfach vergeblich, seinen Mitarbeiter zu erreichen, könnte ein schlechter Eindruck entstehen.

Laut Bitkom-Studie haben allerdings auch zahlreiche Mitarbeiter eine kritische Einstellung zur Heimarbeit: 57 Prozent der Befragten waren der Meinung, dadurch vermischten sich Beruf und Freizeit zu stark. 46 Prozent sagten, die Arbeit im Homeoffice führe ihrer Ansicht nach zur Isolation. Wichtig sei deshalb, auch aus dem heimischen Büro heraus den Kontakt zur Firma nicht zu verlieren, sagt Psychologe Manzey. „Ein täglicher Anruf oder E-Mail-Kontakt vermeidet, vom Informationsfluss ausgeschlossen zu werden.“ Als ideal bewertet Fraunhofer-Experte Braun eine Sowohl-als-auch-Lösung in Sachen Arbeitsplatz: „Drei Tage vor Ort und zwei Tage daheim. Das ist eine Sache, die könnte sich bewähren.“