Die großen Airlines sind bei der Auswahl extrem anspruchsvoll. Jedes Jahr bewerben sich bei ihnen Tausende Anwärter um die Jobs über den Wolken

Es sind die kleinen Momente, die Georg Rieth an seinem Job liebt. „Wenn ich morgens durch die Wolkendecke fliege und dann die ersten Strahlen vom Sonnenaufgang sehe – das ist schon ein geniales Gefühl“, sagt der 25-Jährige. Seit zwei Jahren fliegt Rieth als Copilot bei Lufthansa. Das Wichtigste ist für ihn die Abwechslung. „Jeder Start und jede Landung sind anders – es ist immer wieder eine neue Herausforderung“, sagt Rieth. Das könne er sich bei einem Bürojob nicht vorstellen.

Rieth lebt das, was für viele junge Menschen ein Traum ist. „In guten Jahren bekommen wir bis zu 6000 Bewerbungen“, sagt Michael Lamberty, Pressesprecher der Lufthansa. Auch für 2014 sind für die Cockpit-Ausbildung wieder 120 Neueinstellungen geplant. Doch die Suche nach den Piloten ist für die Airlines eine Herausforderung. „Wir suchen keine Supermänner. Wir brauchen die durchschnittlichen Bewerber, die auf sehr vielen Gebieten gut sind“, erklärt Helmut Kunz, Leiter der Air Berlin Flight School.

Gefragt sind gute Kenntnisse in Mathematik und Physik. Auch räumliches Vorstellungsvermögen, Konzentration und gute Englischkenntnisse seien wichtig, sagt Kunz. „Eine Begabung in allen Bereichen ist statistisch gesehen aber wenig verbreitet.“ Deswegen betreiben die Airlines bei der Auswahl ihrer Pilotenschüler viel Aufwand.

Die Lufthansa arbeitet dafür mit dem Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) zusammen, Air Berlin mit einem privaten Dienstleister. „In mehrtägigen Auswahlverfahren werden die nötigen Fähigkeiten in Computertests und Simulationen überprüft“, sagt Jörg Handwerg von der Pilotenvereinigung Cockpit. Außerdem gibt es Gruppenaufgaben und Gespräche mit Psychologen. So wollen die Airlines testen, ob die Bewerber verantwortungsbewusste Mannschaftsspieler sind, die auch in schwierigen Situationen Ruhe bewahren können. Einen Gesundheitscheck müssen die Kandidaten ebenfalls überstehen – dabei wird unter anderem auf das Sehvermögen geachtet: Mehr als drei Dioptrien sind in der Regel ein Ausschlusskriterium.

Wer es in das Ausbildungsprogramm einer Airline geschafft hat, muss zunächst viel Theorie über sich ergehen lassen. Laut Kunz haben die angehenden Piloten 14 Fächer, über die sie später eine Prüfung beim Luftfahrtbundesamt ablegen. Gleichzeitig lernen sie schon sehr früh, kleine einmotorige Flugzeuge zu fliegen. Später folgen größere Maschinen. Schließlich werden die Flugschüler auf den speziellen Flugzeugtyp geschult, mit dem sie später unterwegs sein sollen. „Zunächst findet das aber nur im Simulator statt“, erläutert Kunz.

Wenn sie dort die Prüfung bestanden haben, müssen die Piloten zwölf Starts und Landungen mit einem großen Verkehrsflugzeug absolvieren, erst dann dürfen sie Passagiere mitnehmen. In den ersten 120 Flugstunden sitzt jedoch zusätzlich zum Trainings-Kapitän ein erfahrener Copilot daneben. „Danach gibt es den sogenannten Linecheck – das ist dann im Prinzip der Adelstitel. Ab dann darf man als Copilot allein mit einem Kapitän auf Strecke gehen“, erklärt Kunz. Laut Handwerg kann es durchaus mehrere Jahre dauern, bis ein Copilot selbst Kapitän wird und die Verantwortung für den gesamten Flug trägt.

Weil die großen Airlines nicht immer genau vorhersehen können, wie viele Piloten sie in den nächsten Jahren brauchen, sind zu manchen Zeiten zu viele Flugschüler in der Ausbildung. Diese dauert bei Lufthansa dreieinhalb und bei Air Berlin zwei Jahre. Dann bauen die Airlines Pausen in das Programm ein, während derer die angehenden Piloten Praktika innerhalb des Unternehmens absolvieren, als Flugbegleiter arbeiten oder für einige Monate bei der Flugzeugabfertigung auf dem Flughafen tätig sind.

Preiswert ist die Ausbildung zum Piloten nicht. Bei Lufthansa kostet sie 70.000 Euro. Air Berlin berechnet den Flugschülern 67.500 Euro. Bei Einstiegsgehältern von 50.000 bis 60.000 Euro brutto im Jahr wird die Summe nach der Ausbildung über mehrere Jahre hinweg zurückgezahlt. Wer sich bei einer privaten Flugschule zum Piloten ausbilden lässt, sollte laut Handwerg sogar mit Kosten von bis zu 100.000 Euro rechnen. „Davon raten wir in der momentanen Situation allerdings ab. Derzeit gibt es zu viele Piloten, und es ist schwierig, auf dem freien Markt ins Cockpit zu gelangen“, sagt er.

Dass der Pilotenberuf nicht nur Vorteile hat, räumt auch Lufthansa-Sprecher Lamberty ein. Jetlag und unregelmäßige Arbeitszeiten stellten besonders für Piloten mit Familie eine Herausforderung dar. „Andererseits macht gerade diese Unregelmäßigkeit und Internationalität für viele den Reiz des Fliegens aus“, erzählt er.

Copilot Rieth genießt es besonders, wenn er nach Feierabend eine fremde Stadt entdecken kann. Am Ende haben er und seine Kollegen aber vor allem ein Ziel: das Flugzeug und seine Insassen wohlbehalten von A nach B zu bringen. „Und dafür muss man selbst nach einem Zwölfstundentag noch voll konzentriert sein“, sagt Rieth. Auch auf den letzten Meilen könne das Wetter plötzlich schlechter werden oder ein System ausfallen. „Aber genau dafür sind wir ja ausgebildet.“