Laut einer DGB-Umfrage werden 81 Prozent der Hospitanten als vollwertige Mitarbeiter eingesetzt. Was muss man sich gefallen lassen, was nicht?

Sie bekommen weder Urlaub noch Vergütung – stattdessen heißt es Kaffee kochen oder sogar putzen: Manche Betriebe sehen in Praktikanten vor allem eine billige Arbeitskraft. Damit Hospitanten sich gegen eine schlechte Behandlung wehren können, müssen sie jedoch ihre Rechte kennen. Welche das sind, ist unterschiedlich. „Zuerst muss man klären, ob es sich um ein echtes Praktikum handelt“, sagt Rechtsanwalt Martin Bonelli. Praktikum werde häufig alles genannt: vom Schnuppertag bis zur Teilzeitstelle.

„Wir haben hierzulande das Problem, dass es keine gesetzliche Regelung speziell für Praktika gibt“, ergänzt Florian Haggenmiller, Bundesjugendsekretär des Deutschen Gewerkschaftsbunds (DGB). Immerhin definiert das Bundesarbeitsgericht im Jahr 2003 ein Praktikum als vorübergehende Tätigkeit in einem Betrieb zum Erwerb praktischer Kenntnisse. Doch letztendlich entscheidend für Rechte und Pflichten, die sich daraus ableiten lassen, sind die Inhalte des Praktikums. Steht das Lernen im Mittelpunkt oder die Mitarbeit im Unternehmen?

Das Pflichtpraktikum während des Studiums ist ein relativ leichter Fall

Eindeutig ist der Fall, wenn es sich um Schülerpraktika oder Pflichtpraktika während des Studiums handelt. „Rechte und Pflichten im Praktikum sind durch die Ausbildungs- und Studienordnungen klar geregelt“, sagt Alexander Bredereck, Fachanwalt für Arbeitsrecht. Ein gesetzlicher Anspruch auf Vergütung besteht dabei nicht. „Der Praktikant hat daher auch keine Arbeitnehmerrechte wie Kündigungsschutz oder Urlaubsanspruch“, ergänzt Martin Bonelli.

Deutlich mehr Rechte hat, wer aus freien Stücken bei einem Unternehmen hospitiert: Wenn das Praktikum dem Erwerb von neuen Kenntnissen und Fähigkeiten dient, fällt es unter das Berufsbildungsgesetz, das Ausbildungsverhältnisse regelt. „Der Kerngedanke dabei ist: Lerninhalte gegen Arbeitsleistung“, erklärt Anwalt und IHK-Berater Bonelli. Deshalb werde zwar kein Arbeitslohn gezahlt, bei längeren Praktika bestehe aber Anspruch auf eine Ausbildungsvergütung.

Nach Ablauf der Probezeit kann der Arbeitgeber dem Praktikanten nicht mehr ohne Weiteres kündigen. „Dauert das Praktikum länger als einen Monat, besteht auch ein Anspruch auf Urlaub“, sagt Martin Bonelli. Pro Monat ist das ein Zwölftel des Jahresurlaubs, das heißt, in der Regel sind es also etwa zwei Tage. Krankheitstage müssen nicht nachgeholt und an das Praktikum angehängt werden. Länger als acht Stunden darf nur in Ausnahmefällen gearbeitet werden.

Ein wichtiger Punkt ist auch das Praktikumszeugnis: „Man kann vom Arbeitgeber eine Praktikumsbestätigung verlangen“, sagt Alexander Bredereck. Wer eine qualifizierte Beurteilung wolle, sollte das im Vorfeld ansprechen. Außer Dauer und Art des Praktikums enthalte sie auch Angaben zu den erlernten Fähigkeiten und erbrachten Leistungen.

Problematisch wird es dagegen, wenn das Praktikum nicht mehr der Ausbildung dient. „Bei einem Praktikum von Absolventen mit abgeschlossenem Studium ist man juristisch schnell bei einem normalen Arbeitsverhältnis“, sagt Bonelli. Steht die Arbeitsleistung im Mittelpunkt des Praktikums, hat der Praktikant dieselben Rechte wie ein Arbeitnehmer – und Anspruch auf eine faire Bezahlung. „Der Lohn darf dann nicht mehr als 30Prozent unter der üblichen Vergütung liegen“, erklärt der Anwalt. Sonst sei das Lohnwucher.

Hospitierende Hochschulabsolventen sollten sich daher fragen, ob sie bereits dieselbe Arbeit machen wie alle anderen Mitarbeiter im Betrieb. Laut einer Umfrage der DGB-Jugend unter Praktikanten mit abgeschlossenem Studium ist genau das oft der Fall: „Von 674 befragten Absolventen gaben 81 Prozent an, im Unternehmen ‚vollwertige Arbeit‘ zu machen“, sagt DGB- Sekretär Florian Haggenmiller. Fast fünf Monate dauerte ein Praktikum im Durchschnitt, zwei von fünf Praktika waren unbezahlt.

„Praktikanten sind keine billigen Arbeitskräfte, sondern sie sollen einen Einblick in die Arbeitswelt erhalten“, sagt Bredereck. An Unwissenheit der Arbeitgeber glaubt er nicht: „Die meisten Fälle, die ich in der Praxis erlebt habe, waren eindeutig böswillig.“ Ein Beispiel sei ein Praktikum als Regaleinräumer bei einem Discounter. „Da steht spätestens ab dem dritten Tag nicht mehr die Ausbildung im Fokus, sondern die Arbeit.“

Beim freiwilligen Praktikum sollten Hospitanten auf Vertrag bestehen

Praktikanten sollten daher darauf bestehen, dass ihnen ein Praktikumsvertrag ausgehändigt wird, der die Ausbildungsinhalte und Arbeitszeiten regelt, sagt Haggenmiller. Je mehr im Vorfeld vereinbart werde, desto eher könne man sagen: Das Praktikum entspricht nicht dem, was mir zugesagt wurde. „Man kann auch damit argumentieren, dass sich der Arbeitgeber so selbst absichert.“ Ein eindeutiger Vertrag kann auch ihn schützen – nämlich davor, dass der Praktikant im Nachhinein einen Arbeitslohn einklagt.

Doch was tun, wenn man richtiggehend falsch behandelt wird? Wer mit dem Praktikum unzufrieden ist, sollte als Erstes mit dem Chef reden, rät DGB-Mann Florian Haggenmiller. „Es ist auf keinen Fall in Ordnung, nur Kaffee zu kochen oder ganz normale Arbeit zu verrichten.“ Weitere Ansprechpartner sind der Betriebsrat, die eigene Uni bei einem Pflichtpraktikum oder Beratungsstellen der Gewerkschaften. Im Zweifel helfe nur, die Notbremse zu ziehen: „Wenn es wirklich ein ganz schlechtes Praktikum ist, sollte man es sofort beenden.“