Jeder zehnte Arbeitnehmer hat heute einen Jahres- oder Projektvertrag. Was Betroffene über ihre Rechte wissen sollten

Vom ersten Arbeitstag in der neuen Firma bis zum unbefristeten Vertrag ist es für viele Angestellte heutzutage ein weiter Weg. „Befristungen nehmen in allen Branchen zu“, sagt Katharina Putthoff, Referentin für Arbeitsrecht der Industrie- und Handelskammer. Viele Arbeitgeber würden sie als verlängerte Probezeit nutzen. Laut Statistischem Bundesamt hatte 2012 fast jeder zehnte Beschäftigte (9,5 %) einen Vertrag auf Zeit. In einigen Branchen sind Befristungen häufiger als in anderen: In „Erziehung und Unterricht“ etwa sind 76 Prozent der Neueinstellungen befristet, im Baugewerbe nur 20 Prozent.

Das Gesetz sieht zwei Möglichkeiten vor, einen Arbeitsvertrag zu befristen: mit und ohne Sachgrund. „Die sachgrundlose Befristung ermöglicht den Unternehmen eine Flexibilisierung ihrer Personalpolitik“, sagt Putthoff. So können sie besser auf schwankende Auftragslagen reagieren. Die Rechtsexpertin sagt aber auch: „Ohne Sachgrund darf eine Befristung grundsätzlich maximal zwei Jahre dauern.“ Innerhalb der zwei Jahre darf der befristete Vertrag nur dreimal verlängert werden.

Doch von der Regel gibt es Ausnahmen: zum Beispiel für Start-ups oder Arbeitnehmer, die älter als 52 sind und zuvor arbeitslos waren. „Damit soll die Integration älterer Arbeitnehmer in den Arbeitsmarkt erleichtert werden“, sagt Ingo Kleinheinz, Rechtsberater der Arbeitnehmerkammer Bremen. „Bei älteren Arbeitnehmern darf bis zu fünf Jahre befristet werden“, sagt Putthoff. Bei neu gegründeten Firmen seien es vier Jahre. „Die Zahl der Verlängerungen ist in beiden Fällen unbegrenzt.“

Daneben gibt es Befristungen mit Sachgrund. „Bei Sachgrund-Befristungen gibt es keine zeitliche Obergrenze“, sagt Rechtsberater Kleinheinz. Ein solcher Sachgrund liegt vor, wenn nur vorübergehender Bedarf besteht. „Der häufigste Fall ist sicherlich die Vertretung wegen Krankheit oder Schwangerschaft“, sagt Daniel Marquard, Fachanwalt für Arbeitsrecht. Aber auch bei Saisonarbeit in der Landwirtschaft sowie bei Projektarbeit kämen solche Verträge regelmäßig zum Einsatz. Allerdings: „Eine Befristung ohne Sachgrund ist nicht zulässig, wenn der Arbeitnehmer schon zuvor bei dem Unternehmen beschäftigt war“, sagt Kleinheinz. Nach einem Urteil des Bundesarbeitsgerichts darf diese Vorbeschäftigung nicht innerhalb der vergangenen drei Jahre stattgefunden haben.

In jedem Fall muss die Befristung schriftlich erfolgen: „Es braucht eine klassische Urkunde mit zwei eigenhändigen Unterschriften darunter“, sagt Putthoff. Außerdem müssen Arbeitgeber und -nehmer den Vertrag vor Arbeitsaufnahme unterschreiben, sonst werde ein unbefristetes Arbeitsverhältnis begründet. Befristete Verträge können übrigens auch Probezeiten und Kündigungsfristen enthalten. „In den allermeisten Verträgen wird neben der Befristung auch die Möglichkeit zu kündigen festgeschrieben.“

Während des Arbeitsverhältnisses haben Arbeitnehmer mit befristeten Verträgen die gleichen Rechte wie andere Angestellte auch. „Sie dürfen nach dem Gesetz nicht anders behandelt werden als Festangestellte“, sagt der Hamburger Arbeitsrechtler Marquard. „Aber in der Praxis sieht das oft anders aus.“ Viele Rechte würden von der Dauer der Betriebszugehörigkeit abhängen, wie beispielsweise der Anspruch auf betriebliche Altersvorsorge oder Sonderzahlungen wie Weihnachts- und Urlaubsgeld.

„Beim Befristungsrecht gibt es leider sehr viele Stolperfallen“, sagt Katharina Putthoff. Probleme gebe es oft mit der Verlängerung befristeter Verträge – die müsse schriftlich erfolgen, „und zwar vor Ablauf der Befristung“. Dabei dürfen die Vertragsbedingungen nicht verändert werden: „Das wäre ein Neuabschluss, der ohne Sachgrund nicht zulässig ist“, warnt die Expertin.

Eine Befristung sei immer dann unwirksam, wenn Befristungszeiten überschritten werden, erklärt Daniel Marquard. „Wenn die Arbeit nach Ablauf der Befristung fortgesetzt wird, ohne dass der Vertrag verlängert wurde, entsteht automatisch ein unbefristetes Arbeitsverhältnis.“ Mitunter komme es auch vor, dass ein Sachgrund nur vorgeschoben werde, sagt Kleinheinz. „Solche Kettenbefristungen sind ein häufiger Grund für Klagen vor Gericht.“

„Arbeitnehmer sollten den Sachverhalt gerichtlich klären lassen, wenn der Vertrag nicht verlängert wurde“, rät Marquard. „Anders, als wenn man aus einem Beschäftigungsverhältnis heraus klagt, hat man dann nichts mehr zu verlieren.“ Die Entfristungsklage müsse spätestens drei Wochen nach Ende des Arbeitsverhältnisses eingereicht sein.

„Mit etwas Glück erklärt das Gericht die Befristung für unwirksam“, bestätigt Kleinheinz. Doch es muss nicht immer gleich der Gang vor Gericht sein: Mitarbeiter könnten sich auch an den Betriebsrat oder den Personalrat wenden. „Wenn die Befristung ganz offenbar unwirksam ist, kann man auch den Arbeitgeber direkt darauf ansprechen.“