Experten geben Tipps für den Berufseinstieg als Bachelorabsolvent. Durch ihre Jugend fehlt es Berufseinsteigern mitunter an Sozialkompetenz und Lebenserfahrung.

Mit der eigenen Rolle im Leben ist das so eine Sache. Wer an der Hochschule als charmanter Überflieger galt, dem die Anerkennung der Professoren sicher war und dessen Kommilitonen Anflüge von Arroganz als Coolness durchgehen ließen, findet sich im ersten Job plötzlich in ganz anderer Position wieder: als derjenige, der fragen und lernen muss, der sich die Anerkennung der Kollegen erst einmal verdienen und seinen Platz im sozialen Gefüge der Firma nach und nach finden muss.

Viele Berufseinsteiger haben damit so ihre Schwierigkeiten, hat Karriereberaterin Andrea Schottelius in ihren Coachings mit Hochschulabsolventen festgestellt. Die Gründe dafür seien vielfältig, glaubt sie, basieren aber im Großen und Ganzen auf fehlender Sozialkompetenz und Lebenserfahrung.

Waren die Diplom- und Magisterstudenten früherer Jahre Mitte bis Ende 20, wenn sie von der Hochschule kamen, sind die Bachelorabsolventen heute in der Regel erst Anfang 20.

Die kurzen Studiengänge sind vornehmlich auf Wissenserwerb im Zeitraffer ausgerichtet, sagt Andrea Schottelius. „Außerdem leben viele junge Studenten auch weiterhin sehr behütet bei ihren Eltern. Sie sind wenigen Situationen ausgesetzt, die für sie ungewohnt sind und Herausforderungen darstellen, an denen sie wachsen könnten.“

Dementsprechend naiv gehen manche 21-jährige Bachelorabsolventen in ihren Job – und erleben nicht selten erstmals in ihrem Leben Rückschläge. Schottelius: „Im Arbeitsleben ist es normal, dass Projekte, Vorhaben oder Absprachen auch einmal nicht funktionieren. Wer als erfolgsverwöhnter Prädikatsstudent noch nie eine Niederlage erlebt hat, bekommt einen besonders starken Praxisschock.“

Auch die ungeschriebenen Regeln in der Firma muss man kennenlernen

Frauke Narjes, Leiterin des Career Centers an der Universität Hamburg, empfiehlt, sich während der Probezeit erst einmal langsam in seine neue Rolle als Arbeitnehmer und Kollege hineinzufinden. „Zunächst geht es darum, zu beobachten und Fragen zu stellen“, sagt sie. „Jedes Team hat eine eigene Geschichte, die man verstehen muss, um auch die ungeschriebenen Regeln und Normen des Unternehmens oder der Abteilung erkennen zu können.“ Ein bis zwei Monate solle man sich als Berufseinsteiger dementsprechend abwartend verhalten. „Und einfach mal voraussetzen, dass die Menschen durchdacht haben, was sie tun, und dass bestimmte Abläufe ihren guten Grund haben“, sagt Frauke Narjes. Erst nach dieser Karenzzeit könne man langsam damit beginnen, Prozesse und Gewohnheiten des Teams auch einmal laut zu hinterfragen.

Wenn sie dann beginnen, Ideen einzubringen, sollten Berufseinsteiger aber immer daran denken, dass nicht alles, was sie im BWL-Seminar gelernt haben, auf jedes Unternehmen zutrifft. „Man muss immer sehen, was individuell die beste Lösung ist“, sagt Myrna Stuckert, Personalleiterin eines traditionsreichen Hamburger Unternehmens, derzeit in Elternzeit. Werden seine Ideen abgelehnt, dürfe der Neue das nicht persönlich nehmen. „Denn so ist es in der Regel auch nicht gemeint“, sagt Stuckert. Viel wahrscheinlicher sei, dass andere Gründe dagegensprächen, deren Tragweite der Berufseinsteiger noch nicht überblicken könne.

Für einen guten Berufseinstieg und eine erfolgreiche Probezeit empfiehlt Personalleiterin Myrna Stuckert vor allem anderen, jeder Person im Unternehmen mit Respekt zu begegnen. Über gute Ideen – höflich vorgetragen – freuen sich die älteren Kollegen, ist ihre Erfahrung. „Unternehmen gucken sich an, wie Berufseinsteiger sich integrieren – und fördern dann denjenigen, der diese Aufgabe gut bewältigt.“ Kleinigkeiten zählen, sagt sie. „Niemand darf zum Beispiel die Nase rümpfen, wenn er aufgefordert wird, hin und wieder etwas zu übernehmen, was nicht seiner Ausbildung entspricht.“

Auf welche Themen und Aussagen reagiert man besonders empfindlich?

Sich zu integrieren gelingt demjenigen am besten, der weiß, „wie er selbst tickt“, erklärt Karrierecoach Andrea Schottelius. Es wäre also nicht falsch, sich vor dem ersten Job schon einmal bewusst gemacht zu haben, auf welche Themen, Aussagen oder Zurückweisungen man empfindlich reagiert. Entsprechend souveräner fällt die Reaktion aus, wenn eine solche Situation tatsächlich eintritt.

Ganz praktisch rät die Karriereexpertin aber auch dazu, immer wieder das Gespräch mit dem Vorgesetzten wie auch den Kollegen zu suchen und sich so Infos und Feedback zu holen. „Welche Ziele soll ich erreichen, worauf legt der Chef besonderen Wert, was wollen die Kollegen von mir?“

Erwartungen klären, nennt das Frauke Narjes vom Career Center. Das Gespräch darüber sollte eigentlich der Vorgesetzte initiieren. „Es ist eine Leitungsaufgabe, zu gucken, wer mir da ins Haus kommt“, sagt Narjes. Passiert das nicht, sollte der Berufseinsteiger von selbst – mit ein bisschen Fingerspitzengefühl für die richtige Situation – immer wieder nachhaken.