Eine Lehrstelle als Bürokaufmann finden – kein Problem. Davon war der Realschüler Till Kübel überzeugt. Denn er hatte einen Notendurchschnitt von 2,3 in dem Zeugnis, das er nach der 9.Klasse erhielt. Doch dann kam die erste Absage, die zweite, die dritte. Kübel wurde immer unsicherer, je näher der Zeitpunkt rückte, dass er nach der 10. Klasse die Schule verlassen würde. Also rief er nach der nächsten Absage bei dem Unternehmen an und fragte nach dem Grund. Die Antwort: „Sie haben im Arbeits- und Sozialverhalten nur eine Drei. Und in Ihrem Zeugnis stehen fünf unentschuldigte Fehltage.“

Viele Schüler unterschätzen die Bedeutung der Kopfnoten. Sie wissen nicht, dass eine schlechte Note im Arbeits- oder Sozialverhalten sie bei vielen Unternehmen aus dem Rennen um die Ausbildungsplätze wirft.

Weshalb die meisten Firmen bei den Kopfnoten so streng sind, erklärt Prof. Elisabeth Heinemann, Professorin für Schlüsselqualifikationen an der FH Worms: „Die Rechenkünste und Rechtschreibkenntnisse von Bewerbern können die Betriebe relativ einfach mit Eignungstests überprüfen. Wie motiviert und teamfähig ein Bewerber ist, lässt sich aber nur schwer ermitteln.“ Hinzu kommt: Ist ein Azubi im Prozentrechnen schwach, lässt sich dieses Manko in der Regel beheben – sofern er motiviert und lernwillig ist. Anders jedoch, wenn er unzuverlässig ist.

Ab welcher Note Bewerber aussortiert werden, variiert – auch weil die Bundesländer bei den Kopfnoten unterschiedliche Notenskalen haben. Die Vertreter der Großunternehmen sind sich einig: Besteht nur ein geringer Verdacht, ein Bewerber könnte ein Problemfall werden, wird er aussortiert. Die Unternehmen befürchten: Wenn wir uns bei der Azubi-Auswahl einen faulen Apfel ins Nest legen, könnte dieser mit seinem Verhalten die anderen Azubis infizieren. Bei kleineren Firmen sieht es anders aus. Aufgrund überschaubarer Strukturen können sie die Azubis persönlicher betreuen – und bei Bedarf stärker an die Kandare nehmen.