Ein Kommentar von Maren Lehky

In der Diskussion um Stress am Arbeitsplatz und Prävention von Burn-out geht es immer wieder ums „Grenzensetzen“. Die Ermunterung zum Nein-Sagen, zum Ablehnen von Bitten oder Aufträgen ist sicher ein hilfreicher Tipp. Und genauso sinnvoll ist es, Grenzen zu akzeptieren, die jemand anders uns aufzeigt. Doch das ist leicht gesagt und schwer umzusetzen.

Es beginnt wie so vieles mit uns selbst. Wir nehmen es persönlich, wenn jemand Nein sagt und eine Aufgabe ablehnt. Selbst wenn er es gut begründet. Wir verstehen es im Kopf und wissen genau, dass wir etwas sagen sollten wie: „Klar, verstehe ich. Schade, aber nicht zu ändern.“ Doch emotional sehen wir das nicht so. Wir sind sauer, weil unser Plan nicht aufgeht. Oder neidisch, weil hier jemand vormacht, was uns nicht gelingt. Sind vielleicht enttäuscht, weil wir doch neulich selbst hilfsbereit waren.

Wie es in dieser Situation nun weitergeht, das entscheidet über die Kultur zum Grenzensetzen in einem Team oder Unternehmen. Ist es möglich, unsere Gefühle zu artikulieren, und der andere hält sie aus? Dass wir vielleicht entgegnen: „Ich verstehe deine Situation. Nur habe ich damit leider ein Problem mehr auf der Agenda. Das betrübt mich, und ich bin enttäuscht, weil ich dachte, dass ich jetzt mal dran bin, nachdem ich dir letzten Monat aus der Patsche geholfen habe. Ich hatte so gehofft, dass du übernehmen kannst.“ So wäre es auf dem Tisch, und der Nein-Sager hätte die Chance, darauf einzugehen und seinerseits Verständnis zu zeigen.

Niemand müsste schmollen oder negative Konsequenzen befürchten. Wenn es dann noch möglich ist, dass sich die beiden Betroffenen nach dem Gespräch ohne Ressentiments begegnen, der Grenzensetzer vielleicht nachfragt, wie der andere sein Problem gelöst hat oder demnächst von sich aus Hilfe anbietet, dann kann sich Kultur ändern. Und dann wäre es gut möglich, dass das Grenzensetzen häufiger ehrlich genutzt wird und nicht Ausreden oder Aussitzen als Lösung herhalten müssen. Ist Ihr Team, Ihr Unternehmen, sind Sie selbst (schon) bereit zum ehrlichen Nein?

Maren Lehky ist Unternehmensberaterin und Autorin. Im Internet unter www.lehky-consulting.de