Neue Serie „Eltern im Job“. Teil 1: Schwanger am Arbeitsplatz. Was Mitarbeiterinnen von der Firma erwarten können und was sie selbst leisten müssen

Statt der Treppe nimmt Wiebke-Dorothea Burmester seit vier Wochen den Fahrstuhl. Sonst habe sich trotz Schwangerschaft wenig an ihrem Arbeitsalltag verändert, sagt die 38-Jährige. Sie fühle sich fit wie eh und je. „Keine Müdigkeit oder andere Beschwerden, mir geht es blendend.“

Burmester ist beim Medizintechnikhersteller Olympus als „Department Managerin Compliance in Europa“ tätig. Das heißt, sie sorgt dafür, dass Gesetze und ethische Richtlinien im Unternehmen eingehalten werden. Die Hamburgerin leitet eine Abteilung mit sieben Mitarbeitern.

So angenehm wie bei Wiebke-Dorothea Burmester verläuft nicht jede Schwangerschaft. Und einige Jobs bergen sogar Risiken für das Wohl des ungeborenen Kindes. „Das Mutterschutzgesetz stattet berufstätige werdende Mütter nicht nur in diesen Situationen mit besonderen Rechten aus“, erklärt Lars Kohnen, Fachanwalt für Arbeitsrecht in Hamburg. Dazu gehöre, dass in der Regel eine Kündigung bis vier Monate nach der Entbindung nicht möglich ist. Wer erst nach der Kündigung von seiner Schwangerschaft erfährt, aber bereits in anderen Umständen war, hat zwei Wochen Zeit, die Firma darüber zu informieren und erhält den Kündigungsschutz rückwirkend. „Wie bei jeder Kündigung muss binnen drei Wochen geklagt werden“, sagt Kohnen.

Der Arbeitgeber ist während der Schwangerschaft der Mitarbeiterin verpflichtet, Risiken am Arbeitsplatz wie Staub, brütende Hitze, eisige Kälte, Dämpfe oder giftige Stoffe von ihr fernzuhalten. Auch das Tragen schwerer Lasten ist für die werdende Mutter tabu. Gegebenenfalls muss sie einen anderen Arbeitsplatz bekommen – bei gleicher Bezahlung. „Ist dies nicht möglich, muss der Arbeitgeber die Schwangere freistellen und ihr weiter das volle Gehalt zahlen“, sagt Anwalt Kohnen. Manch Vorgesetzter überredet seine Angestellte dann, sich krank schreiben zu lassen. Der Anwalt rät ab. „Dabei steht man finanziell immer schlechter da.“ Denn das Krankengeld beläuft sich auf nur 70 Prozent des Nettogehalts.

Extra-Pausen während der Arbeitszeit sind nicht generell vorgesehen. „Wer ständig stehen muss, zum Beispiel als Verkäuferin, hat aber das Recht, sich regelmäßig zu setzen“, sagt Kohnen. Wer im Sitzen arbeitet, darf auch kurz unterbrechen. Je nach Arbeitsplatz falle der Schutz sehr unterschiedlich aus, sagt Lars Kohnen. „Zudem ist es möglich, sich vom Arzt individuelle Einschränkungen attestieren zu lassen, sodass der Arbeitgeber eventuell auch dann andere Aufgaben zuweisen muss.“

Beim Konsumgüterkonzern Beiersdorf dürfen Angestellte aus der Forschung und Entwicklung in der Schwangerschaft mit bestimmten Stoffen nicht mehr in Berührung kommen. Chemikerinnen tauschen in dieser Zeit ihren Platz im Labor komplett gegen den Schreibtisch.

„In der Produktion achten wir darauf, dass kein Arbeitstempo vorgegeben wird, Kollegen unterstützen dann die Schwangere“, sagt Gabriela Mansel, Leiterin des Sozialdienstes bei Beiersdorf. Die schwangere Frau arbeitet nur noch in Tagesschichten, ihr Dienst beginnt frühestens um sechs Uhr. „Auch im Management schauen wir, dass der Arbeitstag nicht länger als 8,5 Stunden dauert“, sagt Mansel. Was sich genau im Einzelfall mit der Schwangerschaft ändert, lotet der Sozialdienst mit der Mitarbeiterin aus.

Burmester, die Chefmanagerin für Rechtskonformität bei Olympus, konnte ihre Arbeit am Schreibtisch weitgehend ohne Einschränkungen fortführen. Lediglich die Flüge ins Ausland übernahm ab dem fünften Monat ihre Vertretung, eine Mitarbeiterin aus dem Team, die Burmester Schritt für Schritt an ihre Aufgaben herangeführt hatte. Sie ließ sie zum Beispiel an internationalen Meetings teilnehmen und band sie insgesamt stärker in globale Aktivitäten ein. „Ein halbes Jahr vergeht schnell, dann ist es gut, wenn man sich sofort kümmert“, sagt Burmester.

Eine feste Frist, in der der Arbeitgeber über die Schwangerschaft informiert werden muss, gebe es nicht, sagt Fachanwalt Kohnen. Dies sei immer eine persönliche Entscheidung. Es sei jedoch durchaus sinnvoll, dem Chef frühzeitig Bescheid zu sagen – schon weil man dann Sonderrechte in Anspruch nehmen kann. Frauen, die zum Beispiel in einer Reinigung giftigen Dämpfen ausgesetzt sind, sollten mit ihrem Vorgesetzten sprechen, sobald sie von ihrer Schwangerschaft wissen. Im Büro könne man damit bis nach dem dritten Monate warten, bis die Schwangerschaft als stabil gilt, sagt Kohnen.

Wiebke-Dorothee Burmester hat ihren Vorgesetzten, der in England sitzt, in der elften Woche informiert: „Er war gerade in Hamburg, und ich wollte es ihm gerne persönlich mitteilen.“ Anschließend erhielt sie eine Beratung von der Personalabteilung zum Mutterschutzgesetz, zur Elternzeit, Optionen zum Wiedereinstieg und zur dem Betrieb angeschlossenen Kita.

Nicht in allen Firmen nimmt man die Fürsorgepflicht so ernst wie bei Beiersdorf und Olympus. „Gerade in kleinen Betrieben kennt manch ein Chef die Regelungen selbst nicht genau“, ist die Erfahrung von Anwalt Kohnen. Unterstützung bietet dann der Betriebsrat, so vorhanden, oder das Amt für Arbeitsschutz in der Behörde für Gesundheit und Verbraucherschutz. Dem Arbeitgeber droht übrigens eine Geldbuße von bis zu 15.000 Euro bei eklatanten Verstößen gegen das Mutterschutzgesetz.

Lesen Sie nächste Woche Teil 2: Elternzeit – so bleiben Sie in der Firma am Ball