Die Leserfrage: Ich fühle mich von einem Kollegen sexuell belästigt: dumme Sprüche, anzügliches Taxieren, unmotivierte Berührungen. Würde ich mich beim Chef beschweren, hieße es: „War doch alles nicht so gemeint.“ Was kann ich tun?

Das sagt Rechtsanwalt Rainer Stelling: Die Frage, wie eine sexuelle Belästigung durch einen Kollegen bewiesen werden kann, stellt die größte Schwierigkeit für Sie dar. Gibt es keinen Zeugen für die belästigende Äußerung oder Handlung, steht häufig Aussage gegen Aussage. Möglicherweise geht der belästigende Kollege sogar zum Gegenangriff über und bezichtigt Sie der üblen Nachrede. Manches Opfer wird so zum Täter gemacht, ein Verbleib im Betrieb kann zur Qual werden.

Sie sollten daher Ort, Zeit und Umstände der Belästigung genauestens dokumentieren und nach Möglichkeit eine Person Ihres Vertrauens hinzuziehen, die Zeuge weiterer Vorfälle werden könnte. Heimliche Tonband- oder gar Videoaufnahmen sind Ihnen aber nicht gestattet, wenn es nicht um schwerste, wiederholte Übergriffe geht.

Können Sie eine sexuelle Belästigung glaubhaft machen, darf der Arbeitgeber nicht untätig bleiben. Paragraf 12 des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG) verpflichtet ihn, sexuelle Belästigungen im Betrieb durch geeignete Maßnahmen zu unterbinden. Das Gesetz erwähnt ausdrücklich die Abmahnung, Umsetzung, Versetzung oder Kündigung des belästigenden Arbeitnehmers. Der Arbeitgeber muss den Gesetzestext des AGG sogar im Betrieb bekannt machen und eine Beschwerdestelle einrichten. Wenn Sie sich sexuell belästigt fühlen, dürfen Sie sich nach Paragraf 13 AGG dort beschweren.

Zuständig für Beschwerden ist auch der Betriebsrat. Ihre Angaben müssen vertraulich behandelt werden. Nach dem Willen des Gesetzgebers dürfen Sie auch bei erfolgloser Beschwerde vom Täter nicht belangt werden, wenn Sie nicht leichtfertig falsche Angaben gemacht haben. Bleibt der Arbeitgeber trotz nachweislicher Belästigung untätig, können Sie nach Paragraf 15 AGG binnen zwei Monaten Schmerzensgeld verlangen.

Dr. Rainer Stelling ist Anwalt für Arbeitsrecht in Hamburg www.rae-gleim.de