Ein Kommentar von Mark Hübner-Weinhold

Stellen Sie sich vor, Sie gehen im Wald spazieren und treffen einen Mann, der fieberhaft damit beschäftigt ist, einen großen Baum zu zersägen. Mühsam zieht er seine alte Säge durch den Baumstamm. Der Schweiß rinnt ihm übers Gesicht, er wirkt total erschöpft. „Das sieht anstrengend aus“, sagen Sie zu ihm, „wie lange sind Sie denn schon zugange?“ Er stöhnt: „Seit über fünf Stunden. Ich bin völlig erledigt. Das ist harte Arbeit.“

„Warum machen Sie dann nicht ein paar Minuten Pause und tauschen das Sägeblatt aus? Das wirkt ziemlich stumpf“, raten Sie ihm. Darauf sagt er fast beleidigt: „Ich habe keine Zeit, die Säge zu schärfen. Ich bin zu sehr mit dem Sägen beschäftigt.“ Ähnlich erzählte der berühmte Management-Denker Stephen R. Covey diese Geschichte. Sie zeigt beispielhaft, wie sehr wir oft im Hamsterrad hektischer Aktivität gefangen sind und den Blick für das Wesentliche verlieren.

Gerade jetzt, in den letzten Tagen vor Weihnachten, tobt in vielen Unternehmen die Jahresendrallye. Abschlussgespräche mit Kunden und Mitarbeitern, Etat- und Personalplanung für 2014 und nebenher noch ein, zwei Projekte, die dringend dieses Jahr abgeschlossen werden sollen.

Auf der Strecke bleiben oft ein gemütlicher Adventskaffee, um das Jahr mit seinen Mitarbeitern noch einmal Revue passieren zu lassen, vielleicht ein kollegialer Bummel über den Weihnachtsmarkt, ein Dankeschön an Mitarbeiter und Dienstleister – die Zeit, um in aller Ruhe schöne Geschenke für seine Lieben kaufen zu können.

Dabei sind es gerade diese kleinen Momente und Gesten, die Großes bewirken können. Die Wertschätzung signalisieren. Die dem anderen zeigen: Trotz allen Stresses habe ich mir Gedanken über dich gemacht, weiß deinen Beitrag zu würdigen und möchte dir das zeigen. Nicht das große Geschenk zählt, mit dem mancher versucht, sich Absolution für sein schlechtes Gewissen zu erkaufen, weil er nie da war. Viel wichtiger ist die Zeit, die wir intensiv den anderen Menschen widmen.

Dafür müssen wir wieder die Säge schärfen. Und der kleine Dank, das nette Wort sind nicht nur zu Weihnachten möglich. Sondern jederzeit.