Feedback geben zum Jahresende ist in Unternehmen noch nicht die Regel – doch im Idealfall ein Gewinn für alle

So manchem Arbeitnehmer rutscht das Herz in die Hose, wenn er eine entsprechende Einladung bekommt. Personalentwickler halten sie dagegen für ein wertvolles Instrument der Mitarbeiterführung: Beurteilungs- und Feedbackgespräche, die Vorgesetzte und Beschäftigte zum Jahresende führen.

Inhaltlich geht es um Rückblick, Ist-Zustand und Ausblick: Die Führungskraft beurteilt die Leistung des Mitarbeiters im abgelaufenen Jahr und bespricht das Ergebnis mit ihm. Wurden die vereinbarten Ziele erreicht? Wo steht der Mitarbeiter? Braucht er Weiterbildung? Welche Entwicklungsmöglichkeiten sind erwünscht und realisierbar? Welche Ziele sollen fürs nächste Jahr gelten? Hat man im Unternehmen das Prinzip verstanden, darf auch der Mitarbeiter dem Chef Feedback geben.

„Wenn alles optimal läuft, haben die Gespräche einen unvergleichlich hohen Nutzen“, sagt die Hamburger Unternehmensberaterin Barbara Lux. Der zeige sich in vielen Facetten: Die Motivation der Mitarbeiter steigt, weil sie ernst genommen werden, der Vorgesetzte erfährt von Schwierigkeiten in Betriebsabläufen, die Firma kann letztlich sogar den Krankenstand senken. Denn wenn ein Mitarbeiter seine Interessen selbstbestimmt vertreten kann, wie es in einem Feedbackgespräch der Fall sein sollte, stärkt das seine Zufriedenheit und damit letztlich auch seine Widerstandskraft und Gesundheit.

Doch in vielen Unternehmen sind Jahresendgespräche noch nicht üblich. Laut einer Befragung der Personalberatung Rochus Mummert erhalten 56 Prozent der Beschäftigten in Deutschland kein offizielles Feedback durch den Chef. Die Inhaberin von Lux Consulting geht sogar so weit, zu sagen, dass nur in fünf Prozent der Unternehmen systematisch Feedbackgespräche geführt würden – wenn man die kleinen und mittelständischen Unternehmen einbezieht. „Und dort sind ja die meisten Menschen beschäftigt.“

Eine Umfrage von Metaberatung, einem Anbieter von Personaldiagnostik, belegt allerdings, dass Arbeitnehmer ohnehin nicht viel von diesem Führungsinstrument halten. 55 Prozent glauben, dass Beurteilungen in Feedbackgesprächen nicht der echten Leistung entsprechen, sondern willkürlich sind. Eine weitere Schwäche sehen die Befragten in der fehlenden Verbindlichkeit: Was besprochen wurde, sei oft nach kürzester Zeit wieder vergessen, meinen 47 Prozent. „Die Kritik der Arbeitnehmer trifft einen wunden Punkt“, sagt Rainer Neubauer, Geschäftsführer von Metaberatung. „Sie zeigt, wie laienhaft Mitarbeitergespräche in der deutschen Unternehmenspraxis häufig vorbereitet und durchgeführt werden.“

Um Jahresendgespräche sinnvoll zu führen, empfiehlt Unternehmensberaterin Lux: Schulung der Führungskräfte, damit alle nach demselben Konzept ihre Gespräche führen und offen dafür sind, sich auch selbst kritisieren zu lassen; eine offizielle, terminierte Einladung an jeden Mitarbeiter, in der deutlich wird, dass es sich um ein „normales“ Gespräch handelt und nicht etwa Entlassung droht; eine Checkliste für die Beschäftigten, anhand derer sie sich aufs Gespräch vorbereiten können. Eingeladen werden muss jeder. „Mitarbeitergespräche sind keine Klassengesellschaft“, sagt Barbara Lux. „Das hat mit Wertschätzung zu tun, so fühlen sich alle Mitarbeiter als Teil des Unternehmens oder der Organisation.“

Typische Fehler der Führungskraft sieht Lux darin, sich nicht genug Zeit zu nehmen und Gespräche kurzfristig anberaumt zwischen zwei anderen Terminen zu führen. Auch nicht gut: „Häufig heben Führungskräfte ihre gesamte Kritik eines Jahres für dieses Gespräch auf“, sagt die Beraterin. „Doch Kritikgespräche muss man zeitnah zum Anlass führen.“ Der Redeanteil des Mitarbeiters sollte rund drei Viertel betragen. „Wenn es umgekehrt ist, wird der Mitarbeiter nur berieselt“, sagt Lux. „Das ist dann kein Gespräch mehr.“

Und schließlich müssen sich Taten anschließen. „Was in den Zielvereinbarungen festgehalten wurde, muss weiterverfolgt werden“, sagt Lux. Egal ob es sich um Umsatzziele (Steigerung um xProzent) oder Verhaltensziele (kundenfreundlicher werden) handelt. Werde etwa der Besuch eines SAP-Kurses vereinbart, weil der Mitarbeiter Wissenslücken schließen will, muss der Chef dafür sorgen, dass sein Angestellter Zeit und Möglichkeit hat, an einem solchen teilzunehmen. „Wenn aus dem Jahresendgespräch nur Enttäuschung erwächst, ist die Motivation dahin.“

Solche Zielvereinbarungen werden aufgeschrieben und sind dann verbindlich: „Werden sie vom Arbeitnehmer unterzeichnet, handelt es sich um einen schriftlichen Zusatz zum Arbeitsvertrag“, erklärt Arbeitsrechtsexperte Tino Frieling von der Bucerius Law School. „Der Arbeitnehmer ist also verpflichtet, die vereinbarte Leistung zu erbringen. Umgekehrt ist der Arbeitgeber verpflichtet, versprochene Boni beim Erreichen des Ziels zu leisten.“