Unternehmen der „Life Science“ – Medizintechnik, Biotechnologie und Pharmazie – suchen Fachkräfte mit und ohne Studienabschluss

„Röntgen. Kein Zutritt für Unbefugte!“ steht an der Tür zum geschützten Strahlenraum bei Philips Medical Systems in Hamburg-Fuhlsbüttel. „Hier unterziehen unsere Ingenieure die Testmodelle verschiedener Röntgensysteme einem Dosisregelungstest“, erklärt Christina Blieffert. „Dabei wird mit offener Strahlung gearbeitet, ohne dass sich wie üblich ein Bleiverschluss vor dem Strahlenaustrittsfenster der Röntgenröhre befindet.“ Blieffert selbst arbeitet nicht direkt mit Strahlung, ist aber daran beteiligt, dass Strahlung überhaupt erzeugt werden kann: Ihr Arbeitsfeld sind die Generatoren der Röntgengeräte – ob für mobile Systeme, die Röntgenaufnahmen auch bei beengten Platzverhältnissen ermöglichen, oder für raumfüllende Computertomografen, die hochauflösende Röntgen-Schichtaufnahmen vom menschlichen Körper erstellen.

Zum Teil sind die Generatoren so hoch wie ein Mensch – und randvoll angefüllt mit Technik, die Christina Blieffert organisiert. „Als Beschaffungsspezialistin besorge ich alles, von Kondensatoren, Widerständen oder bestückten Leiterplatten bis zu ganzen Baugruppen inklusive Gehäuse und Verkabelung“, sagt die 24-Jährige, die nach ihrem Realschulabschluss zunächst bei Philips eine Mechatroniker-Ausbildung absolviert und gleich noch eine Weiterbildung zum technischen Fachwirt angeschlossen hat. Probleme als Frau in einer Männerdomäne hatte sie dabei nie. „Ich bin von Anfang an akzeptiert und respektiert worden.“ Trotzdem wären ein paar Frauen mehr im Kollegenkreis schön, findet Blieffert.

Das passende Personal zu finden ist für Unternehmen in den sogenannten Life Sciences – Medizintechnik, Biotechnologie und Pharmazie – nicht einfach. „Wir suchen oftmals nicht ‚nur‘ einen Elektrotechniker, sondern ganz gezielt einen Elektrotechniker, der sich zum Beispiel mit verschiedenen Hochspannungen im Bereich Generatoren gut auskennt“, erläutert Wilke Schütte, Leiter des Personalmarketings von Philips in Deutschland, Österreich und der Schweiz. „Im Bereich Life Science sind wir so hoch spezialisiert, dass es schwierig ist, passend ausgebildetes Fachpersonal zu finden.“

Das bestätigt Susanne Küchen, Personalleiterin bei Waldemar Link. Das Traditionsunternehmen entwickelt, produziert und vertreibt Endoprothesen, also künstliche Gelenke, sowie chirurgische Instrumente und betreibt eine eigene Feingießerei. „Da wir den gesamten Prozess von der ersten Idee bis zur sterilen Verpackung abdecken, benötigen wir Mitarbeiter mit Kenntnissen aus mehreren Bereichen“, sagt Küchen. Das reiche von der Metallgewinnung und -verarbeitung über Kunststofftechnik, Biomechanik und Beschichtungstechnik bis zur Fein- und Industriemechanik. Nicht zu vergessen die Kenntnisse über Tribologie: das Fachwissen über Reibung und Verschleiß.

Nischenwissen wird den Mitarbeitern in internen Lehrgängen vermittelt

Medizinisches Fachwissen sei dagegen willkommen, aber kein Muss. „Wir arbeiten in der Entwicklung intensiv mit Ärzten aus aller Welt zusammen“, sagt Susanne Küchen. Das benötigte spezielle Fachwissen wird bei Waldemar Link, wie auch in anderen Unternehmen, durch interne Fortbildungen vermittelt.

So haben Berufseinsteiger in den Life Sciences gute Karten, auch bei Eppendorf, einem Spezialist für Laborprodukte wie Pipetten, Zentrifugen, Bioreaktoren und Mikrotiterplatten, was Verbrauchsartikel für mikrobiologische Untersuchungen sind. „Frisch von der Hochschule bringen die Absolventen neue Ideen ein und sind sehr flexibel“, sagt Rüdiger Huhn, Abteilungsleiter in der Entwicklung. „Doch für einen guten Team-Mix brauchen wir auch erfahrene Ingenieure – und die sind am Markt inzwischen wirklich rar.“

In seiner Abteilung werden neue Erfindungen und Weiterentwicklungen in Teams aus Ingenieuren verschiedener Fachrichtungen vorangetrieben. „An einem teilweise mehrjährigen Entwicklungsprozess arbeiten dann etwa Ingenieure der Mechanik, Elektrotechnik und Softwareentwicklung mit Ingenieuren aus dem Qualitätsmanagement und der Produktion zusammen. Auch Naturwissenschaftler gehören zum Team, und natürlich sind technische Zeichner, Servicetechniker sowie Produktmanager dabei“, erklärt Huhn.

Kommen in der Entwicklung vorwiegend Akademiker zum Einsatz, sind in der Produktion Facharbeiter, Techniker und Meister gefragt. So decken die Life Sciences das gesamte Spektrum technischer Fachkräfte ab.

Die Berufsaussichten sind gut. Die demografische Entwicklung schürt die Nachfrage, im In- und im Ausland, wie Susanne Küchen betont. „Unsere Branche zeichnet sich durch einen wachsenden Exportanteil aus. Generell lag der 2012 bei 68 Prozent, wir kommen auf mehr als 70 Prozent, was vor allem der wachsenden Kaufkraft in Lateinamerika und Asien zu verdanken ist.“