Entwicklungshelfer müssen Kommunikationstalente sein – und brauchen in der Regel einen Studienabschluss. In welchem Fach, ist aber ziemlich egal

Mit Montenegro hätte sie nicht gerechnet. Als Nora Keck, heute 29 Jahre alt, nach dem Studium ihre Karriere in der Entwicklungshilfe begann, hatte sie schon Praktika in Tansania und Namibia hinter sich. Nun aber wurde sie zu ihrem nächsten Auslandseinsatz auf den Balkan geschickt – in dieses kleine Land zwischen Bosnien, Serbien, dem Kosovo und Albanien. Ein Jahr verbrachte Nora Keck dort und beriet die lokalen Einrichtungen bei der Bekämpfung von Korruption und der Förderung der Demokratie. „Es war eine unheimlich spannende Zeit“, sagt sie heute. Vor ihrem Einsatz hatte sie sich nie mit Montenegro beschäftigt. „Das ist das Schöne: dass man in Regionen gerät, in die man nie gereist wäre.“

Hilfe zur Selbsthilfe ist das Ziel der Entwicklungszusammenarbeit, wie die Entwicklungshilfe offiziell genannt wird. Nora Keck hat nach ihrem Studium eine der begehrten Nachwuchsstellen ergattert. Jedes Jahr stellt die Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ), eine staatliche Organisation, 20 Trainees ein. Zwischen 1500 bis 2000 Hochschulabsolventen bewerben sich auf diese wenigen Plätze. Im Ausland zu arbeiten, fremde Kulturen zu erleben und dabei die Welt ein bisschen verbessern zu helfen – das lockt viele Interessenten an.

Wer in die Entwicklungshilfe einsteigen möchte, sollte sich deshalb früh engagieren, sagt Ulrich Heise, der bei der GIZ für die Nachwuchsförderung zuständig ist. Er rät dazu, schon während des Studiums Praktika in Entwicklungsländern zu machen. Auch ein Freiwilligendienst nach der Schule sei eine Möglichkeit, um erste Erfahrungen in dem Bereich zu sammeln. Anders als in früheren Jahrzehnten, als es vor allem darum ging, selbst ganz praktisch mit Hand anzulegen, hat sich der Beruf des Entwicklungshelfers inzwischen weitgehend akademisiert. Die GIZ stellt heute fast ausschließlich Akademiker ein. Handwerker sind in der Branche kaum noch gefragt.

Mehr als 50 Entwicklungshilfeorganisationen gibt es in Deutschland. Außer der GIZ (s. Info) gehören die Deutsche Welthungerhilfe, die kirchlichen Dienste AGEH (Arbeitsgemeinschaft für Entwicklungshilfe) und Brot für die Welt zu den bekanntesten. Von den internationalen Organisationen gehören viele zu den Vereinten Nationen oder zur Europäischen Union, wie das Kinderhilfswerk Unicef. Einige Dienste haben Nachwuchsprogramme, die Studenten und Absolventen offen stehen, aber auch der Direkteinstieg über offene Stellen ist möglich. Die Bezahlung variiert je nach Organisation. Berufseinsteiger verdienen bei der GIZ am Anfang rund 3000 Euro brutto im Monat.

Doch nicht jeder plant eine langfristige Karriere in einer Organisation der Entwicklungshilfe. Es gibt auch jene, die nur für wenige Jahre ins Ausland gehen wollen. Und das muss nicht immer gleich nach dem Studium sein. Auch Menschen mit Berufserfahrung, die schon einige Jahre in Deutschland gearbeitet haben und sich nach ihrem Einsatz wieder in den deutschen Arbeitsmarkt integrieren wollen, engagieren sich in der Entwicklungshilfe.

In der Regel werden sie zwischen zwei und vier Jahre lang von einer Organisation in ein Partnerland entsandt. Bei den langfristigen Karrieren in Entwicklungshilfeorganisationen wechseln sich Auslands- und Inlandseinsätze miteinander ab: Drei Jahre Uganda, zwei Jahre Indonesien, vier Jahre Deutschland – so sieht ein typischer Lebenslauf aus.

Ein Studium ist in beiden Fällen erwünscht. „Bei etwa 90 Prozent unserer Stellen setzen wir einen Hochschulabschluss voraus“, sagt Katharina Engels von der AGEH. Immer wieder bekommt sie Anfragen, welche Studienfächer für den Einstieg zu empfehlen seien. Zwar werden Juristen, Pädagogen, Ingenieure, Wirtschaftswissenschaftler oder Mediziner in der Entwicklungszusammenarbeit besonders häufig gesucht.

Letztlich hängt es aber immer von der konkreten Stelle ab. „Wir empfehlen, das zu studieren, was im eigenen Interesse liegt“, sagt Engels. Wichtiger als das fachliche Können sei häufig die Kommunikationsfähigkeit: „Der Erfolg der Arbeit hängt letztlich davon ab, wie gut man das Gegenüber erreicht.“

„Das Gute an der Arbeit ist, dass man viel von der Welt sieht“, sagt Sebastian Lesch vom Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ). „Man kommt in Kontakt mit den unterschiedlichsten Menschen.“ Dafür braucht, wer eine Familie gründen will, auch einen Partner, der sich mit den häufigen Ortswechseln arrangiert. Beruflich muss meist einer von beiden zurückstecken. „Und natürlich sind auch die Bedingungen vor Ort oft schwierig“, sagt Lesch. Versorgungsengpässe, abgelegene Orte, die Sicherheit. Die Arbeit in anderen Kulturkreisen fordert Toleranz und Einfühlungsvermögen.

Was Nora Keck an ihrem Beruf so liebt, ist vor allem die Abwechslung. In der 18-monatigen Ausbildung hat sie auch eine Station bei der OECD in Paris absolviert. Ganz besonders in Erinnerung geblieben ist ihr aber Montenegro, von dem sie vorher kaum etwas wusste. Ihr jüngster Urlaub hat sie dorthin zurückgeführt. Sie weiß, dass es immer wieder Abschiede geben wird, die schwerfallen. Sie weiß aber auch, dass dann wieder Neues kommt.