Ein Kommentar von Jon Christoph Berndt

Wer im Berufsleben lange Zeit wirklich erfolgreich war, sollte an seinem Rezept festhalten – und nicht vergessen, wo der Erfolg seine Wurzeln hat. Wenn man vergisst, wo man herkommt und welches die eigenen Wurzeln sind, vergrault man nicht nur die alten treuen Wegbegleiter, sondern irritiert auch die potenziellen Neuen. Im Sinne einer eindeutig profilierten, klar wahrnehmbaren und begehrten Marken-Persönlichkeit ist es nicht, wenn man auf einmal für alles ein bisschen und damit auch für nichts mehr gescheit steht. Dann ist ein klarer Schnitt das Beste.

Claudia Roth, ehemalige Grünen-Vorsitzende, hat nach der Bundestagswahl ihren Hut genommen. Als das Marken-Gesicht ihrer Partei ist sie mit dafür verantwortlich, dass sich die grünen Wähler mit ihrer Partei nicht mehr identifizieren mochten. Im Programm gab es von allem ein bisschen und nichts Gescheites von nichts. Da ging sie, solange ihr Profil noch Restkraft hatte und sie daraus jetzt etwas anderes Gutes formen kann. Das Fremdbild, das die Parteikollegin Theresa Schopper von Roth hat, stimmt noch: „Du bist eine wahrlich große Vorsitzende, eine eigene Marke, einzigartig, du bist echt.“ Wenn auch ein gut Stück in der Vergangenheitsform.

Wer sich verrannt hat, sollte das nicht nur schnell erkennen, sondern es sich auch so früh wie möglich eingestehen. Und vor allem klare Schlüsse daraus ziehen. Der klarste kann dann gut sein, dass Schluss ist. Und zwar nicht bloß ein bisschen, sondern ganz radikal. Viele, in der Partei wie in den Unternehmen, machen es so zäh wie falsch, verabschieden sich lieber auf Raten. Dann wird der Beigeschmack immer fader, und die Kollegen jubilieren am Ende sogar, wenn sich einer ein Herz fasst und das ehemalige Herz der Abteilung mitsamt dem Chefsessel zum Hintereingang rausträgt. Die „Time to Say Goodbye“ sollte also immer auch eine „Time to leave“ sein: Sich erst zurückziehen, dann sammeln und schließlich mit aller Kraft zurückkommen, ist meist so richtig, wie es allen Beteiligten gut tut. Dann vergrätzt man niemanden, vor allen Dingen nicht sich selbst.

Jon Christoph Berndt ist Management-Trainer und Keynote-Speaker. www.human-branding.de