Gerade Berufseinsteiger hangeln sich oft von einem Job auf Zeit zum nächsten. Das verunsichert. Was raten Experten?

Gute Ausbildung, guter Job. Bis heute hält sich diese These. Ebenso wie der allgemeine Glaube, dass Zeitarbeit vor allem etwas für Geringqualifizierte ist und ein Studium den sicheren Berufseinstieg garantiert. Doch weit gefehlt. Nach dem Studium folgen oftmals weitere Lehrjahre und eine Zeit der Ungewissheit.

Wie das aktuelle Betriebspanel des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) in Nürnberg ergeben hat, lag die Zahl der befristet Beschäftigten im Jahr 2012 mit rund 2,7 Millionen gut doppelt so hoch wie im Jahr 1996 mit 1,3 Millionen. In Relation heißt das: 9,5 Prozent aller sozialversicherungspflichtig Beschäftigten waren im vergangenen Jahr befristet angestellt.

44 Prozent der neu eingestellten Mitarbeiter bekommen Befristungen

Noch eindrucksvoller ist die Zahl der Zeitverträge unter den Neueinstellungen: 44 Prozent aller neuen Mitarbeiter hatten 2012 eine Befristung im Vertrag stehen. 2001 lag die Quote noch bei 32 Prozent. Allerdings: Im Krisenjahr 2009 sah die Zahl auch schon einmal schlechter aus: 47 Prozent, und damit fast die Hälfte aller neuen Mitarbeiter, wurden damals nur befristet ins Boot geholt.

Auch die Zahl der Mitarbeiter von Zeitarbeitsunternehmen hat sich in den vergangenen zehn Jahren mehr als verdoppelt, wie die Statistik der Bundesagentur für Arbeit belegt. Doch was macht diese berufliche Unsicherheit mit den Menschen, und vor allem, wie kann man ihr begegnen?

„Gerade für die Generation der jungen Akademiker funktionieren die Karrieren der Eltern nicht mehr als Vorbild“, sagt die Lüneburger Soziologin Nadine Sander. Daher müsse man sich neue Vorbilder suchen, deren beruflicher Werdegang nicht so linear verlaufen ist. Grundsätzlich erforderten befristete Verträge und die damit verbundene Unsicherheit ein hohes Maß an Selbstmotivation sowie Mut und Kraft, die eigene Karriere zu gestalten.

Der Hamburger Psychologe Tom Diesbrock rät, sich stets wie ein Selbstständiger zu verhalten, auch als Angestellter. „Wer sich als Regisseur seiner beruflichen Laufbahn versteht, verhandelt mit Arbeitgebern auf gleicher Augenhöhe und begegnet auch schwierigen Situationen aktiv“, sagt Diesbrock. Wer zum Beispiel für eine Elternzeitvertretung eine Stelle annehme, sollte sich unbedingt schon vorher klar darüber werden, was danach kommt. „Wer lediglich hofft, dass es danach in irgendeiner Form in dem Unternehmen weitergeht oder sogar eine Entfristung kommt, macht sich nur abhängig und setzt sich unter Druck.“

Das gilt für den Einstieg in „normale“ Jobs ebenso wie für einen Start als Mitarbeiter eines Zeitarbeitsunternehmens: Am besten kommt damit klar, wer in sich ruht und sich seiner selbst und seiner Fähigkeiten sicher ist. Denn den Umständen in der modernen Arbeitswelt zum Trotz ist Sicherheit ein Grundbedürfnis des Menschen – wenn auch bei jedem unterschiedlich stark ausgeprägt. „Der Mensch ist so programmiert, dass er ein gewisses Maß an Sicherheit braucht. Sie gibt dem Leben Struktur und sorgt dafür, dass man nicht jeden Tag von Neuem gucken muss, wie der Tag verläuft, wie die Arbeit ist und wo das Geld herkommt“, sagt der Greifswalder Professor für Arbeits- & Organisationspsychologie, Manfred Bornewasser. Alles andere bedeute enormen Stress. Wem diese Struktur fehle und den das belaste, der müsse nach innen für Stabilität sorgen.

Forscherin benennt vier Typen, die verschieden mit Unsicherheit umgehen

Wie wichtig das ist, hängt auch vom eigenen Typ ab. Nadine Sander hat für ihre Promotion mit dem Titel „Das akademische Prekariat: Leben zwischen Frist und Plan“ an der Universität Freiburg vier verschiedene Typen ausgemacht, die sie mit den Begriffen Kompensation, Akzeptanz, Delegation und Stabilität umschreibt.

Dem Typus Kompensation sind gefestigte Familienverhältnisse und verlässliche private Netzwerke wichtig. „Diese Menschen haben ein hohes Vertrauen in sich selbst, vorausgesetzt das Privatleben ist stabil“, sagt die Soziologin. Der Typ Stabilität setzt alles auf geordnete Verhältnisse und eine chronologische Lebensplanung. Für ihn ist die Unsicherheit aber eine enorme Bedrohung. Das gilt auch für den Typus Delegation, der sich sicher fühlt, wenn das berufliche Netzwerk funktioniert. Er hat Vertrauen in Bezugspersonen, die ihn notfalls auffangen. Ganz anders der Typ Akzeptanz, der die Befristung als positive Herausforderung sieht.

Doch egal, welcher Typ man nun ist, für etwas mehr innere Sicherheit und einen Halt kann jeder sorgen. „Das kann ein Sportverein, der Freundeskreis, die Wohnung oder die Familie sein“, sagt Psychologe Diesbrock. So sei es zum Beispiel sinnvoll, selbst für einen kurzen Zeitraum eine Wohnung in einer neuen Stadt einzurichten, um wirklich anzukommen. Und den Job als das zu akzeptieren, was er ist, egal wie kurz: als einen Teil der modernen Patchwork-Karriere.