Ein Kommentar von Maren Lehky

Sie kennen es auch: Man hat einen Kollegen, der einem so richtig auf den Geist geht. Er kommt zu spät, drückt sich vor Arbeit, stellt sich doof. Er ist einer von zehn aus dem Team. Dennoch bekommt er oft die meiste Aufmerksamkeit: Wir ärgern uns, sprechen über ihn, fragen uns, wann der Chef endlich etwas tut. Der Chef wiederum fokussiert sich auch auf ihn, ärgert sich, fragt sich, was die richtige Strategie ist, um ihn einzufangen, reibt sich an diesem Mitarbeiter auf – was Zeit kostet, die er eigentlich nicht hat.

Dabei kommen die 90 Prozent zu kurz, mit denen es reibungslos läuft. Aber darüber sprechen wir nicht. Warum? Nun, das Spiel funktioniert, weil wir mitmachen. Anstrengende Mitmenschen, Kollegen, Nachbarn, Chefs bekommen so lange unsere volle Aufmerksamkeit und Energie, wie wir es zulassen.

Eine wirksame Möglichkeit der Selbsthilfe besteht also darin, die gedankliche Nabelschnur durchzutrennen und sich selbst oder sogar dem anderen zu sagen: „Dafür stehe ich nicht mehr zur Verfügung.“ Ignorieren, sich nicht auseinandersetzen, auflaufen und abtropfen lassen bedeutet für das Gegenüber, dass es sich einen neuen Spielpartner suchen muss und es woanders versuchen wird.

Was ebenso hilfreich die eigene Energie stützt, ist, den Blick nur auf diejenigen zu richten, mit denen es gut läuft. Dann haben Sie nur positive Anblicke und Gedanken und stärken sich miteinander. Und immer wenn sich der Gedanke an den Nervigen einschleicht, erziehen Sie sich selbst, indem Sie sich zurufen: „Nicht meine Baustelle.“ Sie entscheiden, was Sie denken, wo Sie hinschauen, worüber Sie sich aufregen – oder auch nicht.

Und wenn Sie nicht davon lassen können, hinterfragen Sie einmal: Was gibt es Ihnen, sich immer wieder aufzuregen? Überlegenheitsgefühle, weil Sie zu den „Guten“ gehören? Verarbeitungschancen für zurückliegende Ungerechtigkeiten? Einen Adrenalinkick? Gemeinsamkeitsgefühle mit denen, die auch so denken? Dabei kommt man auf interessante Erkenntnisse, die es einem leichter machen, die Blickrichtung zu ändern. Viel Erfolg!

Maren Lehky ist Unternehmensberaterin und Autorin. Im Internet auf www.lehky-consulting.de