Mit einem Wissenschaftsprojekt will Pro Exzellenzia aus Hamburg die Zahl der weiblichen Führungskräfte erhöhen. Zielgruppe sind Hochschulabsolventinnen der sogenannten MINT-Fächer.

Hamburg. Ein kleines Büro in der Hochschule für Angewandte Wissenschaften am Berliner Tor. Projektleiterin Anne-Kathrin Guder und ihre Stellvertreterin Britta Buth organisieren gerade eine neue Veranstaltung für das Karrierenetzwerk Pro Exzellenzia. „Wir unterstützen zum Beispiel Hochschulabsolventinnen finanziell, damit sie ihre Promotionsarbeit schreiben können“, sagt Guder.

Das Geld kommt vom Europäischen Sozialfonds (ESF) und der Behörde für Wissenschaft und Forschung in Hamburg. Seit dem Jahr 2010 gibt es diese Fördermöglichkeit. Damals schlossen sich alle sieben staatlichen Hochschulen in der Stadt zusammen und haben damit das erste hochschulübergreifende Wissenschaftsprojekt für Frauen gegründet. „Kern des Vorhabens ist es, Absolventinnen effektiv und nachhaltig auf ihrem Weg in eine akademische und außerakademische Karriere zu begleiten und sie auf Führungspositionen in Wissenschaft, Wirtschaft und Kultur vorzubereiten“, sagt Buth.

Die Frauen müssen sich für das Programm bewerben. Vor allem Hochschulabsolventinnen aus den Bereichen Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik, den sogenannten MINT-Fächern, sollen angesprochen werden. „Aber wir haben auch Stipendiatinnen aus den Bereichen Bildende Kunst, Stadtplanung und Musikwissenschaften“, sagt Guder. Neun Postdoc-Stipendiatinnen, die nach ihrer Promotion an einer Universität oder in einem Forschungsinstitut arbeiten, bekommen von Pro Exzellenzia einen Mentor für ein Jahr gestellt. Die Gründe für die Initiative liegen auf der Hand. Deutschland steht vor einem eklatanten Fachkräftemangel. Das betrifft nicht nur handwerkliche Berufe, sondern zunehmend auch Akademiker aus dem MINT-Bereich. Allein im Bereich Ingenieurswesen sind in den Unternehmen rund 100.000 Stellen offen. Das bedeutet für die deutsche Wirtschaft einen Schaden in Milliardenhöhe, weil die Firmen Aufträge mangels geeigneten Personals ablehnen müssen.

„In unsere Netzwerkveranstaltungen laden wir neben den Stipendiatinnen auch Unternehmensvertreter ein. Unter anderem waren bereits Redner von Airbus und E.on, aber auch von Unternehmen außerhalb der Stadt dabei“, so Guder. „Der Vorteil für die Frauen liegt nicht nur darin, dass sie so verschiedene Unternehmen kennenlernen, sondern auch dass sie erste Kontakte knüpfen können. Die Unternehmen hingegen profitieren davon, dass sie gezielt nach Führungskräftenachwuchs suchen können.“ Zudem können sich die Anwärterinnen damit schmücken, zu den Stipendiatinnen von Pro Exzellenzia zu gehören.

Jüngst war der Unternehmensberater Peter Modler im Spiegelsaal im Museum für Kunst und Gewerbe in Hamburg und sprach zu rund 170 Teilnehmerinnen über sein Thema Arroganzprinzip. „Immer noch gibt es zu viele kompetente Frauen, die bei der Selbstdarstellung im beruflichen Umfeld, im Wettbewerb um die höhere Position, den Lehrstuhl, oder die Forschungsgelder ausgebremst werden. Oft geschieht das eben deshalb, weil sie die Machtsymbole in männlich-dominierten Führungsstrukturen nicht kennen und sie sich deshalb nicht bewusst im eigenen Interesse einsetzen können“, so Modlers Botschaft. „Diesen Machtdemonstrationen begegnet die Frau am besten mit Arroganz, nicht als Haltung, sondern als Werkzeug“, so der Autor des Buches „Das Arroganzprinzip“. Frauen müssten die Körpersprache der Männer nicht nur verstehen lernen, sondern auch Taktiken wie die des Arroganzprinzips anwenden, damit sie sich zum Beispiel bei Bewerbungen gegen ihre männlichen Mitbewerber durchsetzen können.

Guder, eine studierte Literaturwissenschaftlerin und Philosophin mit beruflichen Stationen am Theater und in der Weiterbildung, ist von Anfang an dabei, genauso wie Buth, eine promovierte Pädagogin, die zuvor unter anderem bei Airbus und Otto in der Personalentwicklung tätig war. „Das Geld haben 2010 die Hochschulen akquiriert, die Programmgestaltung haben wir gemacht“, sagen die beiden. Das Projekt, das von der EU mit 300.000 und von der Stadt mit ebenfalls 300.000 Euro pro Jahr unterstützt wird, sprach sich an den Hochschulen schnell herum. Die beiden suchten Coaches, die die Stipendiatinnen unterstützten. „Das war eine Herausforderung“, sagen sie. Guder und Buth organisierten Workshops zu Themen wie Konfliktmanagement, Überzeugender Auftritt oder Selbstdarstellung im Beruf.

Und sie helfen bei der Bildung von Netzwerken. Bislang haben mehr als 460 hoch qualifizierte Frauen die Veranstaltungen von Pro Exzellenzia besucht. Es wurden 60 Stipendien zum Promovieren vergeben und an Frauen, die ihre Promotion gerade hinter sich haben und sich weiterentwickeln wollen. Die anderen Teilnehmerinnen besuchten Workshops und Netzwerkveranstaltungen. Bislang hat sich die Initiative offenbar gelohnt. Einige der Stipendiatinnen machen bereits Karriere bei Unternehmen und Universitäten.