Bewerbern stehen Rollenspiele, Gruppenübungen und Tests bevor. Erfolgsfaktoren im Auswahlprozess sind Wissen, Ehrlichkeit – und Atemtechnik

Rollenspiele, Präsentationen, Gruppenübungen – beim Gedanken an ein Assessment-Center (AC) bricht vielen Bewerbern der Schweiß aus. Vor allem größere Unternehmen stellen Hochschulabsolventen gern mit solchen Auswahl-Veranstaltungen auf die Probe. Doch vielen graust es davor: sich selbst möglichst gut zu präsentieren – und das umgeben von Konkurrenten. Vorträge vor Fremden halten, bei der Gruppenarbeit glänzen, selbst in der Pause am Kuchenbüfett vom potenziellen Chef analysiert werden. Wie kann man da überzeugen?

Zunächst einmal mit gesundem Menschenverstand und indem man sich bewusst macht, dass es nicht darum geht, der Beste zu sein, sondern der Passende: „Im Vordergrund stehen die Sozialkompetenzen“, erklärt Volker Buhl, Coach und Organisationspsychologe. „Man möchte unter den eingeladenen Bewerbern in Bezug auf die Anforderungen der speziellen Position den oder die geeignetsten Kandidaten finden.“

Dabei kann es um Führungskompetenz gehen, um den Dienstleistungsgedanken, um Kreativität. Sich vorab zu überlegen, welches Verhalten gefragt sein könnte und sich entsprechend zu geben, hält Buhl allerdings für keine gute Idee. Dass es dem Kandidaten dann an Authentizität fehlt, würden erfahrene Beobachter schnell durchschauen.

Assessment-Center dauern meist ein bis drei Tage, sagt Karriereberater Walter Feichtner. Der genaue Ablauf sieht bei jedem Unternehmen etwas anders aus. Nicht immer finden die Testtage in der Firma statt, häufig laden die Veranstalter in Tagungsräume von Hotels ein. Manchmal sind es fünf Teilnehmer, manchmal 15. Bei jeder Übung sind mehrere Beobachter anwesend.

Auf der Tagesordnung können stehen: strukturierte Interviews, Rollenspiele, Fallbeispiele, Gesprächssituationen, wie sie später im Arbeitsalltag vorkommen, Gruppendiskussionen oder Postkorb-Übungen, in denen anstehende Aufgaben in eine vernünftige und effektive Reihenfolge gebracht werden müssen. Auch Präsentationen werden oft gefordert, die allein oder in der Gruppe vorbereitet und gezeigt werden. „Dazu kommen psychometrische, analytische oder verbale Tests“, sagt Volker Buhl. Alles immer unter Zeitdruck.

Bislang nutzten eher größere Unternehmen und Konzerne Assessment-Center zur Personalauswahl, erläutert Feichtner. In den vergangenen Jahren setzten aber auch verstärkt mittelständische Firmen auf sie. Beliebt sei die Methode besonders in der Luft- und Raumfahrt-Branche, im Bank- und Versicherungswesen sowie in der Automobilindustrie. Und auch im Dienstleistungsbereich sei die Methode weit verbreitet, sagt Buhl.

Außer mit guten Kenntnissen über die Firma glänzen Bewerber besonders, wenn sie über detailliertes Wissen über die Branche verfügen, sagt Karriereberater Walter Feichtner. Das beste Training sei, ein Assessment-Center schon einmal miterlebt zu haben. Es sei deshalb nicht schlecht, wenn Bewerber sich zunächst sehr breit bewerben. Werden sie zum Assessment-Center eingeladen, könnten sie es als Probelauf ansehen.

Aber selbst mit Übung gebe es den klassischen „AC-Durchkommer“ nicht, sagt Karriereberaterin Birgit Gerstgrasser. Sie rät jedem, vor dem Auswahlseminar seine eigenen Stärken und Schwächen zu analysieren. Wer dabei unsicher ist, kann Freunde um Feedback bitten. Sich darauf verlassen zu können, dass man stark im Argumentieren ist, stärkt einem schon vorher den Rücken – und lässt einen leichter akzeptieren, dass man sich in Rollenspielen komisch fühlt und dort wohl eher weniger punkten kann.

Ist tatsächlich eine Aufgabe im Assessment-Center nicht so gut gelaufen, muss sich aber auch niemand verrückt machen, beruhigt Feichtner. Ein häufiger Fehler der Kandidaten sei Perfektionismus. Doch es würden oft Aufgaben gestellt, die gar nicht lösbar seien – zumindest nicht in der vorgegebenen Zeit. Wichtig ist dann, sich von der vermeintlich verpatzten Aufgabe nicht verunsichern zu lassen, sondern weiterzumachen.

Gegen Nervosität helfe, sich bewusst zu machen, dass ein gewisses Maß davon in dieser Situation einfach normal sei, erklärt Volker Buhl. Und darüber hinaus sogar hilfreich: „Denn Adrenalin befähigt einen zu Höchstleistungen.“ Wem der Stress zu groß wird, kann sich mit Atemübungen helfen. „Bewusstes, tiefes Einatmen, am besten auch noch einmal kurz vor jeder Übung, steigert das Wohlbefinden und hilft, die Nervosität in den Griff zu bekommen.“

Was das Kribbeln häufig noch steigert, ist die Erwartung, bei einer solchen Veranstaltung permanent – also auch während der Pausen – unter Beobachtung zu stehen. Ob das tatsächlich so ist, hängt vom Unternehmen ab. „Manche verzichten darauf und stellen komplett die Übungen in den Fokus“, sagt Volker Buhl. „Andere wiederum wollen zum Beispiel beim abendlichen Dinner prüfen, wie die Tischmanieren der Kandidaten sind und ob sie Small Talk können.“ Die dauerhafte Beobachtung sei tatsächlich häufiger anzutreffen.

Ob der Kandidat bestanden hat oder nicht, erfährt man am Schluss. Hier erhält jeder Teilnehmer in der Regel eine handfeste Aussage, wie es weitergeht – ob man zum Unternehmen passt, ob ein Angebot gemacht wird, ob ein weiteres Interview stattfinden soll. Oder ob die Beobachter den Eindruck haben, dass eine Zusammenarbeit nicht sinnvoll wäre.

„Wichtig ist, dass man sich nicht grundsätzlich abgelehnt fühlt“, sagt Coach Volker Buhl. „Es heißt nicht, dass man generell nicht teamfähig sei, sondern nur, dass man das erwünschte Verhalten in der Übung nicht gezeigt hat.“ Er rät, das Feedback als konstruktive Hilfe anzunehmen, zu reflektieren – und im nächsten Assessment-Center auf die Punkte zu achten, die kritisch angemerkt wurden.