Hamburg ist ein Magnet für Kreative, sagen Personalberater. Doch auch die angesagten Agenturen haben ein Nachwuchsproblem

Kreative für Hamburg zu begeistern ist keine große Sache. Hamburg und Berlin liegen in der Gunst der Art-Direktoren, Texter und Kontakter ganz vorn. Im Vergleich der beiden Werbe-Metropolen sieht Personalberaterin Carola Wendt die Hansestadt in Sachen Attraktivität sogar um eine Nasenlänge in Führung: „Hamburg ist die Nummer eins in Deutschland. Die Agenturlandschaft hier ist durch die vielen großen Arbeitgeber besonders interessant und stabil“, sagt sie. „Es ist einfach, Werber nach Hamburg zu holen.“

Namen wie Jung von Matt, Scholz & Friends oder Zum Goldenen Hirschen und der Nachhall der legendären Agentur Springer & Jacoby (Insolvenz 2010) sorgen für Hamburgs guten Ruf in der Branche. Viele Mitarbeiter der Kreativwirtschaft, die einmal an der Elbe gelandet seien, wollten gar nicht mehr weg, hat Marion Gäthke, Geschäftsführerin der Zebra Unternehmensberatung, festgestellt.

„Hier macht es die Mischung“, sagt sie. „Es gibt ein bisschen was Schräges, aber Hamburg ist auch ordentlich und gepflegt.“ Darüber hinaus böten die inhabergeführten Agenturen, die den Standort an der Alster prägen, ihren Mitarbeitern mehr Freiheiten, als es internationale Netzwerkagenturen im Vergleich dazu könnten.

Ein Schlaraffenland also für Arbeitgeber und Arbeitnehmer? Das trifft es nicht ganz. Denn auch die Kreativen haben ihr Personalproblem. „Wie alle Branchen leiden wir unter der demografischen Entwicklung in Deutschland“, sagt Robert Mende, Hamburger Geschäftsleiter der Personalberatung Designerdock. „Ein Personalmangel ist spürbar.“

Zwei Aspekte verstärken die Nachwuchsmisere: Zum einen hat das Onlinegeschäft den Markt sehr belebt und braucht daher besonders viele Mitarbeiter – am besten die sogenannten Digital Natives, die nach 1980 Geborenen. „Es gibt immer noch einen extremen Hype auf Youngster“, hat Personalberaterin Carola Wendt festgestellt.

„Zum anderen ist das Image der Arbeitgeber in der Kreativbranche gesunken“, sagt Robert Mende. Wer vor zehn oder 20 Jahren einen kreativen Job suchte, ging zu den Agenturen. „Die Leute wollten nicht im Anzug in die City Nord, sondern lieber in Jeans und Turnschuhen in die Schanze.“ Doch das habe sich sehr verändert. Mende: „Für helle, kreative Leute gibt es heute viele Jobs in der Industrie. Dort hat man es verstanden, interessante Stellen für sie zu schaffen.“

Und bezahlt besser: „Am Anfang der Karriere liegen die Agenturen mit ihrem Gehalt unter dem der Industrie“, sagt Personalberaterin Wendt. Außerdem können die Wirtschaftsunternehmen oft mit Weiterbildungsprogrammen, organisierten Karriereplänen und Work-Life-Balance punkten. Gerade Letzteres ist inzwischen für den Nachwuchs nicht mehr so nebensächlich wie für frühere Generationen von Werbern. „Heute sagen junge Leute viel häufiger, dass ihnen ihre Freizeit wichtig ist“, sagt Marion Gäthke von Zebra. „Zu mir kommen auch Bewerber, die möglichst nur bis 19 Uhr arbeiten und am Wochenende gern frei haben wollen.“

Ein Anspruch, der mit der Realität in den Agenturen noch nicht wirklich zusammenpasst. „Die Arbeitsprozesse sind nicht danach“, sagt Gäthke. „Wenn man zum Beispiel bei einem Projekt in die falsche Richtung gedacht hat und kurzfristig umdisponieren muss – da muss man einfach das Wochenende durchpowern.“ Dennoch vermittelt sie auch Kandidaten, die auf der Suche nach einem ausgewogenen Verhältnis von Arbeit und Privatleben sind. „Natürlich haben sie Chancen, es gibt Agenturen, in denen das möglich ist“, sagt Marion Gäthke. „Aber ich rate den Bewerbern, im Vorstellungsgespräch unbedingt ehrlich und mutig zu sagen, was sie wollen, um herauszufinden, ob der Job zu ihnen passt.“

Je weiter der demografische Wandel sich vollzieht, desto mehr werden es sich Bewerber ohnehin leisten können, Bedingungen zu stellen. „Was hast du, Arbeitgeber, mir zu bieten?“, so laufen Personalgespräche oft schon heute. „Erwachsenere Arbeitsbedingungen“, wie Robert Mende von Designerdock es nennt, könnten folgen. „Agenturen müssen sich dahin entwickeln, Work-Life-Balance und andere Arbeitszeitmodelle, etwa Teilzeit zu ermöglichen“, sagt er. „Und das müssen sie auch ihren Kunden klarmachen – ein Lernprozess für beide Seiten.“