Gründerköpfe: Die Hospizmitarbeiterin Ijeoma Agu bietet Trauerbegleitung für Menschen zwischen verschiedenen Kulturen an

43 Jahre jung und ständig den Tod als Thema? Ja, das passt, findet Ijeoma Agu. „Der Tod gehört zum Leben dazu.“ Viel problematischer als die Dienstleistung selbst sei die Zielgruppenbezeichnung. Menschen mit Migrationshintergrund heißt es politisch korrekt. Aber das ist ein Wortungetüm. Und die Bezeichnung „Migranten“ grenzt schnell aus, wo Agu lieber integrieren möchte. „Ich möchte ein Angebot für diejenigen schaffen, die sich von der hiesigen Trauerbegleitung nicht angesprochen fühlen“, sagt sie. „Das sind häufig Menschen zwischen zwei Kulturen.“

So ein Mensch ist die Gründerin selbst. Aufgewachsen ist die Tochter einer Deutschen und eines Nigerianers in der Heimat des Vaters. Bis zu dessen Tod. Da war Ijeoma Agu sieben Jahre alt. Drei Jahre später zog sie mit zwei Geschwistern und der Mutter nach Bayern – und merkte schnell, dass sie selbst andere Wurzeln hatte. Später ging die Abiturientin nach Hamburg, wählte das Hotelfach und den Außenhandel, lebte und arbeitete in England und Spanien. Durch die Geburt ihrer Tochter wurde sie sesshaft und erkannte, wie sehr Anfang und Ende zusammengehören.

Agu arbeitete ehrenamtlich in einem Hospiz und stellte fest, dass Sterben in Deutschland still und leise vonstatten geht. Sie ließ sich vom Institut für Trauerarbeit zwei Jahre lang zur Trauerbegleiterin ausbilden und engagierte sich im Verein für verwaiste Eltern. Ihre Beobachtung aus dieser Zeit: „Die herkömmlichen Angebote zur Trauerbegleitung sprechen Migranten nicht an.“ Agu fand eine Nische: „Ich bin Deutsche, aber man sieht, dass ich andere Wurzeln habe. Das senkt die Hemmschwelle, mit mir über den Verlust eines Angehörigen zu sprechen.“

Die Gründerin versteht ihr Angebot nicht nur als Begleitung im klassischen Trauerfall. Es geht auch um den Verlust von Heimat, Arbeit oder einem Partner, der sich getrennt hat. „Ich biete auch Klärung aller lebenspraktischer Fragen, die sich durch Trauer und Verlust auftun.“ Genau so lebenspraktisch, wie sie selbst bei der Gründung unterstützt wurde: „Es ist toll, sich in Hamburg selbstständig zu machen. Es gibt so viele Institutionen, die dabei unterstützen“, lobt sie. Agu finanziert ihre Gründung seit November 2011 über das Einstiegsgeld. Die Ausbildung zur Heilpraktikerin für Psychotherapie läuft zur Hälfte über den „Weiterbildungsbonus“, das Hamburger Förderinstrument für berufliche Weiterbildung. „Als Trauerbegleiter muss man sich ständig fortbilden und sich selbst reflektieren“, sagt die alleinerziehende Mutter. Was sie an kaufmännischem Wissen beispielsweise für die Buchhaltung brauchte, hat sie sich von der Existenzgründungsinitiative H.E.I. geholt und die persönliche Unterstützung über das „Gründercoaching Deutschland“ finanziert.

„Das erste Jahr war hart. Allein Verantwortung zu tragen, ist anstrengend“, sagt Agu. „Ohne den Zuspruch von außen hätte ich das nicht durchgehalten.“ Zuspruch, der nichts schönredet, aber Mut macht. Denn Agus Nische hat ein Manko: Ihre Zielgruppe ist zahlungsschwach. Im kostenlosen Erstgespräch versucht Agu herauszufinden, wie viel der Interessent zahlen kann und will. Und ist bereit, Kompromisse einzugehen: „Ein Lächeln ist auch viel wert.“ Das mag naiv klingen, aber die Gründerin weiß, dass jeder Kontakt zählt und sie von der Weiterempfehlung lebt.