Die Branche wächst, doch es mangelt an Experten für digitale Werbung. Mike Klostermann ist ein gefragter Fachmann

Mike Klostermann hat sich für seinen Berufsstart eine Boombranche ausgesucht: das Online-Marketing. Seit knapp sieben Monaten arbeitet er für die Hamburger Agenturgruppe pilot. „Zuerst dachte ich, Agentur bedeutet Stress und viele Überstunden“, sagt der 25-Jährige. „Aber ich habe ein tolles Team mit vielen jungen Leuten erwischt, verstehe mich prima mit meinem Chef und kann meistens pünktlich das Büro verlassen.“

Als Juniorberater betreut Mike Klostermann zwei große Kunden. Er plant für sie die Online-Werbung. Die Kunst besteht darin, das Kundenwerbegeld so effizient zu verteilen, dass ein maximaler Nutzen entsteht. „Es geht immer darum, die Zielgruppe zu erreichen. Dazu muss man wissen, wo man sie findet. Wir fragen uns zum Beispiel immer, in welchen Umfeldern die Zielgruppe bereit ist, Werbung wahrzunehmen“, erklärt Klostermann.

Die Agentur ist in Units (Geschäftseinheiten) gegliedert. Diese wiederum bestehen aus Teams mit fünf bis zehn Leuten, die bis zu zehn Kunden aus ganz Deutschland betreuen. Spaß bei der Arbeit, sympathische Kollegen, Abwechslung und Kontakte in die verschiedensten Branchen – das ist es, was Mike Klostermann an seinem ersten Arbeitsplatz nach dem Studium schätzt. Durch seinen Bachelor-Abschluss in Kommunikations- und Medienmanagement an der BiTS-Hochschule (Business and Information Technology School) in Iserlohn fühlt er sich optimal vorbereitet. Dort wurde großer Wert auf die praktische Zusammenarbeit mit Unternehmen gelegt.

Geht es nach Harald R. Fortmann, dem Vizepräsidenten des Bundesverbands Digitale Wirtschaft (BVDW), sollten noch deutlich mehr junge Leute den Weg von Mike Klostermann gehen. Denn die Branche hat ein Nachwuchsproblem. Das belegt eindrucksvoll die BVDW-Studie „Qualifikationsanforderungen der Digitalen Wirtschaft an Berufseinsteiger und Professionals“: Die Hälfte der befragten Unternehmen hat bereits jetzt große Schwierigkeiten bei der Suche nach qualifizierten Arbeitskräften. 56 Prozent der Unternehmen sind der Meinung, dass es in den nächsten drei Jahren noch schlimmer wird. Online-Marketing-Profis mit drei bis vier Jahren Berufserfahrung sind kaum zu finden. Damit hat die Online-Branche schon heute die Probleme, die andere Branchen erst in Zukunft haben werden: Boom bei gleichzeitigem Mangel an Fachkräften.

Besonders gefragt sind Kenntnisse im Wachstumsmarkt Mobile Marketing. Hohen Stellenwert besitzen Qualifikationen in Online-Vermarktung, E-Commerce und Social Media. Als weitere Qualifikationsanforderungen folgen Online-Mediaplanung und Kenntnisse in der Suchwortvermarktung.

Es sind nicht mehr nur Agenturen und Dienstleister, die junge Fachkräfte suchen; auch die Industrie investiert seit einigen Jahren kräftig in ihre Digitalabteilungen. Das wurde bei der Messe „Personal Nord“ Anfang Mai in Hamburg deutlich. Bei Otto hat man die „E-Commercler“ als besondere Zielgruppe schon seit 2007 im Recruiting-Visier, wie Stefanie Hirte auf einer Podiumsdiskussion sagte. „Das größte Interesse erzielen wir, wenn wir über unsere Projekte sprechen“, antwortet sie auf die Frage, wie sie das Nachwuchs-Problem löst. Andere zahlen ihren Mitarbeitern Prämien bis zu 1500 Euro wenn sie mit einem Tipp bei der Rekrutierung der begehrten Fachkräfte helfen.

So stehen Berufseinsteiger im Online-Marketing heute vor der Wahl, ob sie in einem Großunternehmen, einer Agentur oder bei einem Start-up anheuern. Gesucht werden sie von allen. Kleine Firmen versprechen mehr Abenteuer, wirbt Philipp Westermeyer, der selbst als Unternehmer mit mehreren Start-ups erfolgreich ist, für die Gründerszene. „Abenteuer“ bedeutet schnell Budget-Verantwortung und damit die Chance, dass eigene Können direkt im Markt zu testen.

Das sieht auch die 27-jährige Tina Holst so. Sie ist seit Anfang Mai bei Metrigo, einer von Westermeyer und Partnern gegründeten Firma, und sagt: „Bei einem Start-up bekommt man viel mit und lernt mehr.“ Befragt nach den Kriterien, die für sie ausschlaggebend waren bei der Auswahl des ersten Arbeitgebers nach Studium und Praktikum, nennt sie an erster Stelle die Größe des Unternehmens. Sie mag überschaubare Strukturen. „Team und Aufgaben müssen stimmen. Dann ist es auch okay, wenn ich nicht so viel verdiene wie in einem großen Konzern.“ Wichtig sei vor allem, dass sie sich mit den betreuten Kunden und Produkten identifizieren könne.

Nach ihrem Abi 2005 in Itzehoe hat sich Tina Holst bei Philips zur Industriekauffrau ausbilden lassen. Danach studierte sie drei Jahre an der Uni Flensburg internationales Management und ist heute Bachelor of Science. Schon während des Studiums arbeitete Holst in einer Unternehmensberatung zu Online-Themen. Nach dem Studium ging es für ein Praktikum mit dem Schwerpunkt strategisches Marketing in ein Großunternehmen. Danach stand für sie fest: Sie will im Online-Marketing arbeiten. So landete sie vor einigen Wochen bei Metrigo. Schon jetzt betreut sie ihre ersten Projekte.

Wie Mike Klostermann schaut auch Tina Holst optimistisch in ihre berufliche Zukunft. Sie sieht gute Aufstiegschancen in einem rasant wachsenden Markt. Klostermann will auf jeden Fall die nächsten Jahre bei pilot bleiben.