Karrierewege: Ingo C. Peters führt das Vier Jahreszeiten. Mit seiner Frau Christiane lebt er in der dritten Etage

An seine ersten Tage im Grand Hotel an der Binnenalster erinnert sich Ingo C. Peters gut. Er war 19, hatte gerade Abi gemacht. Und stand in der einreihig geknöpften Uniform mit Käppi als Page vor den Türen des Vier Jahreszeiten. Praktikum. Die ehemaligen Klassenkameraden aus dem Gymnasium am Heegen fuhren gern vorbei, hupten und lachten. Und Peters nahm sich vor: Euch werde ich’s zeigen!

Er hatte sich das schließlich genau überlegt. Den ganzen Tag am Schreibtisch zu sitzen wie sein Vater, ein Architekt? Nein. Er wollte raus, dorthin, wo die Menschen sind. Mitten hinein und machen. Dass Auslandsaufenthalte zur Hotelkarriere gehören – wunderbar. Hoteldirektor wollte er werden. Er hatte wenig drüber geredet und alles dafür getan. Alle Lehrstellen waren besetzt, als er anrief. Er erkämpfte sich trotzdem ein Vorstellungsgespräch, keine Woche darauf sagte jemand ab, und er war drin im Vier Jahreszeiten. Drunter, sagt er, hätte er’s auch nicht getan.

„Page zu sein, das war nicht das Schlechteste. Ich kam überall im Hotel rum, kannte die Leute.“ Bald war er Wagenmeister, dann Nachtdiener – der ebenfalls zuständig für alles ist, vom Garageöffnen bis zum nächtlichen Champagner-aufs-Zimmer-Bringen. Er fand großartige Lehrmeister wie die Oberkellner-Legende im Restaurant Haerlin, Alfred Mrugalska. „Das waren Leute, zu denen hat man aufgeschaut.“

Ingo Peters tauchte 1981 ein in den „Vier-Jahreszeiten-Spirit“, den das Haus bis heute bewahrt. Beispiel: Als er in der U-Bahn seine Tüte mit den schwarzen Socken vergaß und durchs Haus schlich, kam er nicht weit. Ein Kollege drückte ihm zehn Mark in die Hand und sagte: „Geht gar nicht, kauf dir sofort neue!“ – und entschuldigte auch noch Peters’ verspäteten Dienstantritt. Er durchlief alle Abteilungen – „bis auf die Wäscherei und die Floristik, das war den Hotelfachfrauen vorbehalten“.

Praktikum, Lehre und raus: London, das Luxushotel The Berkeley. Danach USA. „Erst zu einem Sommerkursus an die Cornell University, die im Hotelfach die beste Ausbildung anbietet.“ Dann die Ochsentour. Erste Station: das Westin Copley Place in Boston, das gerade eröffnet hatte. Startpunkt für Peters: „Stewarding“. Während er dabei noch an Sascha Hehn und das „Traumschiff“ dachte, fand er sich in der Spülküche wieder. Tellerwäscher. Er biss sich durch, arbeitete viel.

Im Rückblick bilanziert Peters: „Ich würde heute zu 100 Prozent alles noch einmal so machen. Ich mag keine Jobs, in denen man um halb drei gelangweilt auf die Uhr guckt. Hotellerie ist Leidenschaft. Wir haben 365 Tage im Jahr geöffnet, sind 24 Stunden am Tag in Bereitschaft. Entweder man ist da mit Feuer und Flamme dabei, oder man hasst es – einen Mittelweg gibt es nicht.“

Mit dieser Einstellung klettert man schnell. „Die Gene haben sicher auch geholfen. Ich sah ja immer schon sehr jung aus für mein Alter. Damals hat mich das geärgert, man wird leicht unterschätzt“ – heute, mit 51 Jahren, weiß er: Das ist ein großer Vorteil.

Mit 26 eröffnete Peters das Ritz Carlton in Philadelphia mit, als stellvertretender Direktor. Er wurde nach Kalifornien geschickt, Laguna Beach, ebenfalls Ritz Carlton. Dann Mandarin Oriental, drei Jahre auf Phuket, drei in Djakarta. Für ihn Paradiese auf Zeit. 1997 führte er den Chef vom Raffles durch sein Haus – und bekam bald die Chance seines Lebens. Nur Wochen später wurde er Direktor seines Traumhotels, des Vier Jahreszeiten in Hamburg. „Alle anderen Jobs habe ich mit gesundem Selbstbewusstsein angetreten, aber hier hatte ich gewaltigen Respekt.“ Was mag er an der alten Lady, die nobel über die Binnenalster schaut? „Das Vier Jahreszeiten ist von den Anfängen mit elf Zimmern kontinuierlich gewachsen, die Zimmer sind unterschiedlich. Und individuell eingerichtet. Ich mag das Haus, seine Geschichte, die langjährigen Mitarbeiter und natürlich die Gäste.“

Ingo Peters residiert in dem Souterrain-Büro, direkt rechts vom Haupteingang, den er über eine kurze gewundene Treppe und durch eine unauffällige Spiegeltür in fünf Sekunden erreicht, wenn er Gäste zu begrüßen hat. Dreimal täglich ist er im Haus unterwegs. Ohne feste Route. Treiben lassen, zuhören, nachfragen. „Management by walking around“, nennen das die Amerikaner. „Dann weiß man immer, wie es läuft.“

Peters hat den Prozess fest im Griff, der die Traditionen bewahrt und das Haus behutsam modernisiert. Demnächst für den neuen Eigentümer, die deutsche Unternehmerfamilie Dohle. Und dann ist da noch das Zwei-Sterne-Restaurant Haerlin. Vorbereitungen für den Angriff auf den dritten Michelin-Stern? „Na klar.“ Spitzenkoch Christoph Rüffer bekommt eine neue Küche, inklusive eines kleinen Dining Rooms, von dem aus Gäste die Arbeit der Küchenbrigade beobachten können.

Abschalten kann Ingo Peters im Wochenendhaus an der Ostsee

Das Hotel ist das Leben. Deswegen wohnt Ingo C. Peters auch gleich dort. Vier Jahreszeiten, dritter Stock. „Auch wenn man dann wirklich immer im Dienst ist – es ist sehr praktisch. Keine Anfahrten, kurze Wege.“ Sogar seine Frau Christiane hat er im Hotel kennengelernt, sie ist selbstständige Qualitätsmanagerin. Gelernt hat sie im Vier Jahreszeiten, wo sonst. Wenn er mit ihr wirklich „mal physisch rauswill“, fahren sie an die Ostsee in ihr Wochenendhaus. „Das ist auch ein bisschen Therapie da draußen.“

Dann hängt Peters mit dem dunklen Anzug auch den Beruf in den Schrank, tauscht ihn gegen die Arbeitsklamotten und gärtnert, „krasser kann ein Gegensatz nicht sein“. Er ist auch Wassermensch, segelt gern, schwimmt, fährt Rad, läuft, früher sogar mal Marathon.

Das alles kann aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass sein Lieblingsplatz doch das Hotel ist. Und wo da? In der Wohnhalle, am Tisch gleich links neben dem Eingang. Als gelernter Kellner hat er die Nummer parat: „Tisch 9.“ Der Vorteil, wenn man dort sitzt? „Man wird selbst gern übersehen und hat doch gleichzeitig alles im Blick.“