Experten raten, den Schritt ins Ausland nicht zu überstürzen. Tipps für grenzübergreifende Studentenpärchen

Bei der Arbeitsagentur würde man Jo wahrscheinlich als Ausnahme ansehen. Für eine, die es schaffte, sofort nach dem Studium im Ausland Fuß zu fassen. Denn die 31-Jährige, die ihren vollständigen Namen nicht in der Zeitung lesen will, hat das erreicht, wovon viele träumen, was aber nur wenige schaffen: Sie ist für ihren Mann, einen Chilenen, vor drei Jahren nach Santiago gezogen und hat dort ihren Traumjob gefunden. Sie leitet die pädagogische Abteilung im Museum der Erinnerung und der Menschenrechte und widmet sich mit Jugendlichen der Aufarbeitung der chilenischen Militärdiktatur.

„Letztlich bin ich genau auf der Stelle gelandet, die ich mir auch in Deutschland gewünscht hätte“, sagt sie. Viel Glück sei dabei gewesen, aber auch einiges an Vorbereitung. Für die Liebe ins Ausland zu ziehen, können sich spontan viele vorstellen. Wie schwer es jedoch ist, neue Freunde, eine neue Sprache und noch einen Job unter einen Hut zu bekommen, wird oft unterschätzt.

Auch wenn die Gefühle groß sind und man dem neuen Partner lieber heute als morgen in sein Land folgen würde: Je hektischer solch eine Entscheidung fällt, umso mehr Schwierigkeiten kommen auf: „Auf keinen Fall auf gut Glück losfahren“, warnt Regina Schmieg von Eurodesk, der Fachstelle für Internationale Jugendarbeit in Deutschland (IJAB). Sie berät Jugendliche und junge Erwachsene bis 30 Jahre, die ins Ausland ziehen wollen. Manche wollen nur Erfahrungen sammeln oder eine Sprache lernen. Andere gehen der Liebe wegen.

Die Schwierigkeiten, mit denen die Auswanderer konfrontiert werden, sind jedoch ähnlich: Während es innerhalb der EU oder der Schweiz die Möglichkeit gibt, eine Übernahme der Studiengebühren zu beantragen, fällt das außerhalb Europas flach. Auch die Suche nach einem simplen Praktikum kann schwierig werden, erläutert Schmieg. „Der Begriff bedeutet nicht überall dasselbe. In manchen Ländern muss der Arbeitgeber zum Beispiel den Mindestlohn zahlen.“ Außerdem wüssten viele Jugendliche nicht, dass sie mit einem Touristenvisum nicht überall arbeiten dürfen. Da es je nach Land und eigenem Lebenslauf viele verschiedene Möglichkeiten gibt, hilft nur eins: planen und sich beraten lassen. „Sechs bis zwölf Monate sollte ich einkalkulieren.“

Sinnvoll ist, die Unterlagen schon in Deutschland so gut wie möglich vorzubereiten: „Ich habe meine Zeugnisse auf Spanisch übersetzt und noch mal vom ehemaligen Chef unterschreiben lassen“, sagt Jo. Mit diesen Unterlagen hatte sie sich schon vor der Abreise auf eine Stelle in einer Gedenkstätte beworben, die im Internet ausgeschrieben war.

Die Sprache in der neuen Heimat zu beherrschen, ist ein erster Schritt, um sich zu integrieren: „Es ist sehr wichtig, sich dort ein zweites soziales Netz aufzubauen“, sagt der Kinder- und Jugendpsychologe Holger Simonszent. Denn erst einmal breche vieles weg. Damit wird der ausländische Freund oder die ausländische Freundin zur wichtigsten Stütze. Das könne auf der Beziehung lasten: „Nur die geliebte Person ist zu wenig.“ Deshalb sei es wichtig, sich so schnell wie möglich ein eigenes Standbein aufzubauen – mit eigenen Freunden und eigenen Hobbys. „Ich darf mich nicht für den anderen aufgeben.“

Eine gute Anlaufstelle sei zum Beispiel das Goethe-Institut, über das man sogenannte Tandempartner finden kann, also Einheimische, die sich für Deutschland interessieren. „In Santiago gibt es sogar Stammtische von Deutschen“, erzählt Jo. Für sie sei es sehr wichtig gewesen, andere in der gleichen Situation zu finden, mit denen sie sich über die Arbeit und das Einleben austauschen konnte.

Selbst mit gutem Job und neuen Freunden ist man in der Fremde aber vor einem nicht gefeit: Heimweh. „Damit sollte ich mich auseinandersetzen und es nicht verdrängen“, rät Psychologe Simonszent. Hilfreich seien in solchen Situationen der Kontakt zu anderen Auswanderern, ein Anruf nach Hause oder einfach Lebensmittel aus der Heimat. „Das Wichtigste ist aber die Unterstützung des Partners. Er muss verstehen, dass ich manchmal Heimweh habe und dass es an solchen Tagen nicht viel gibt, was er für mich tun kann“, sagt Jo.

Bei der Wahl-Chilenin lief die Übersiedlung ins Ausland wie am Schnürchen. Erwarten können junge Leute das aber nicht. Deshalb sei es empfehlenswert, nicht alles auf eine Karte zu setzen: „Gut wäre, wenn ich mir erst einmal eine Frist von einem halben Jahr setze. Ich kann mit meinem Partner zunächst auf Probe zusammenziehen und schaue dann, wie es läuft“, sagt Simonszent. Auf keinen Fall sollte man zu Hause sofort alle Zelte abbrechen.

Etappenweise vorzugehen, hält auch Regina Schmieg von der Internationalen Jugendarbeit für eine gute Lösung. „Wir empfehlen, erst einmal mit einem Praktikum oder in einem Freiwilligenprogramm vor Ort reinzuschnuppern.“ So merkten junge Leute rasch, ob sie sich etwas Längerfristiges suchen wollen.

Es langsam angehen zu lassen, kam für Jo trotz anderslautender Ratschläge nicht infrage. Nach drei Jahren in Chile ist sie aber sicher, dass sie nicht mehr nach Deutschland zurückkehren wird.