Kollegen froh summend bei der Arbeit – absurd, finden viele. Doch die Einstellung macht’s, glaubt Berater Dieter Lange

„Stellen Sie sich einmal Ihre Firma vor, mit all Ihren Kollegen und Chefs. Und nun stellen Sie sich vor, jeder Mitarbeiter im Unternehmen sitzt leise vor sich hin summend an seinem Schreibtisch oder läuft singend durch die Werkhallen.“ Wenn Dieter Lange sein Publikums das fantasieren lässt, erntet er ungläubiges Kopfschütteln. „Das würde nie passieren!“, so die einhellige Antwort. Die Vorstellung sei völlig abwegig. Aber, das müssen alle zugeben, es sei eine durchaus schöne Vorstellung. Zeige es doch innere Zufriedenheit am Arbeitsplatz und Daseinsfreude.

„Davon sind wir in Deutschland weit entfernt“, sagt Lange. In Nepal und Indien hat der Hamburger Führungskräfte-Trainer Menschen erlebt, die selbst harte, monotone Arbeit wie Reispflanzen oder Zwiebelernten gut gelaunt verrichten. „Ich will die Situation dieser Menschen keineswegs romantisieren, aber der Blick auf Menschen, die ihre Arbeit fröhlich singend erledigen, zeigt uns, wie stressig unsere westliche Arbeitswelt mit all ihren Zivilisationskrankheiten, mit ewigem Zeitdruck und komplexen Arbeitsabläufen ist. Und diese Erlebnisse in Asien führen mich zu der Frage: Warum arbeiten Sie eigentlich? Ist Ihnen bei Ihrem Job nach Singen zumute?“

Es ist die Sinnfrage, die Dieter Lange stellt. Bei seinen Vorträgen und Seminaren holt er das Publikum mit pointierten Anekdoten, treffsicheren Zitaten und bissigen Kommentaren aus der Trance des beruflichen Hamsterrads. Lange, gerade 62 Jahre alt geworden, hat in deutschen und internationalen Konzernen als Produkt- und Marketingmanager Karriere gemacht. „Zuerst habe ich diesen Aufstiegstrip voll Feuereifer betrieben und war mit Ende 20 schon Hauptmarkenleiter. Spätestens mit der Erkenntnis, dass die nächsten 30 Jahre meines Lebens absolut vorhersehbar ablaufen würden, begann ich an meiner bisherigen Sichtweise auf die Dinge zu zweifeln. Immer öfter fragte ich mich: Soll das der Sinn deines Lebens sein?“ Lange kündigte, stieg aus und befasste sich während einer zweijährigen Weltreise mit ethnischen Studien – unter anderem in Indien, Nepal, Sibirien, Brasilien und auf Sri Lanka.

Zu Hause, im idyllischen Bendestorf am Nordrand der Lüneburger Heide, empfängt Lange inzwischen Top-Manager wie Uwe Sommer von Lindt & Sprüngli oder Thomas Ebeling von ProSiebenSat1. Mit ihnen redet er Klartext. „Unsere Treffen sind keine Plauderstündchen. Es kommen auch unangenehme Wahrheiten zur Sprache. Man darf nicht nur im Kuschelmodus bleiben“, gab Thomas Ebeling kürzlich gegenüber dem Magazin „Stern“ preis.

Die eigene Einstellung bestimmt, wie erfolgreich und glücklich wir sind

Lange ist dabei Sparringspartner, um eingefahrene Denkmuster zu durchbrechen. „Denn die Macht der Gewohnheit ist bekanntlich der härteste Klebstoff der Welt“, schreibt er in seinem jüngsten Buch „Sieger erkennt man am Start – Verlierer auch“ (Econ). Jeder Mensch könne seine Wahrnehmung und Einstellung verändern, sofern er das wolle, sagt Lange. „Die Einstellung, mit der wir durchs Leben gehen, bestimmt ganz wesentlich, wie erfolgreich und glücklich wir sind.“

Führungskräften schreibt Lange ins Stammbuch, vom Wahn der Kennzahlenoptimierung abzukehren. „Über die Jahre haben Manager immer neue Methoden eingeführt, um möglichst 100-prozentige Effizienz aus den Mitarbeitern herauszuholen. Das ging los mit Kanban, Kaizen, Total Quality Management, Re-Engineering und so weiter. Das hat einen sogenannten abnehmenden Grenznutzen. Das heißt, jede weitere Investition in Methoden, Strategien, Organisationsstruktur hat einen immer geringeren Nutzen. Oder um es populär mit Goethe zu sagen: ,Getretener Quark wird breit, nicht stark.‘“ Langes Appell: „Wir müssen uns wieder mehr um die Menschen kümmern. Denn es sind nicht die Produkte, die den Unterschied machen. Es sind die Mitarbeiter.“