Am Technischen Gymnasium Farmsen arbeiten Schüler in Projektteams. Durch die Aufgaben werden sie früh und praxisnah auf den Beruf vorbereitet

Am Eingang der Schule in Farmsen prangt ein großes G16. Dort, am Technischen Gymnasium der Beruflichen Schule Farmsen G16 - so lautet der komplette Name -, lernen die Schüler anders als an einem klassischen Gymnasium. Denn das "G" steht für Gewerbeschule - und damit für Praxisbezug. Durch Projektarbeit in Teams erhalten die Schüler frühzeitig authentische Einblicke in die Arbeitswelt. Außerdem sind ihre Lehrer teils selbst Ingenieure. Sie können ihren Klassen realitätsnahe Eindrücke vom künftigen Berufsalltag vermitteln.

Schülerin Michelle Denise Hille entschied sich für die G16, weil sie sich für Technik interessiert. Und weil ihr Berufswunsch vor drei Jahr noch "Lehramt in Mathematik und Physik" lautete. Inzwischen strebt die 20-Jährige jedoch ein duales Studium als Wirtschaftsingenieurin an. "Dieser Wunsch entstand, weil mir das Fach Mechatronik sehr viel Spaß macht und mit Mathematik und PGW, also Politik, Gesellschaft und Wirtschaft, mein bestes ist", sagt Hille, die kurz vor ihrem Abitur steht.

Das Technische Gymnasium ist laut Abteilungsleiter Hartmut Otto deshalb ein Erfolgsmodell, weil es die Jugendlichen besonders gut auf eine Ausbildung oder ein Studium im MINT-Bereich (Mathe, Infomatik, Naturwissenschaft, Technik) vorbereite. Und Fachkräfte in den MINT-Bereichen sind auf dem Arbeitsmarkt schließlich besonders gefragte Experten.

"Die Schüler bekommen bei uns ein tieferes Verständnis für Technik. Wir arbeiten seit dem Jahr 1986 im Technik-Unterricht mit der Projektform. Dafür werden den Schülern Probleme gestellt, die sie im Team bearbeiten, besprechen und lösen müssen", sagt Hartmut Otto. Studienanfänger, die an anderen Gymnasien ihr Abitur absolviert haben, müssten sich dagegen erst an diesen autonomen Arbeitsstil gewöhnen. Ein weiterer Pluspunkt für diejenigen Schüler, die nach dem Abitur in Farmsn eine Ausbildung anstreben: Die Technik-Lehrer am Technischen Gymnasium haben gute Kontakte zu Hamburger Betrieben - was sich für viele Schüler schon als äußerst hilfreich bei der Suche nach Praktika oder Lehrstellen herausgestellt hat.

Die G16 hat bereits viele Abiturienten hervorgebracht: Zwischen 1986 und 2011 erwarben 1131 Schüler ihre Hochschulreife. Die meisten der Absolventen - etwa 80 Prozent - sind auch tatsächlich in technische Berufe gegangen, viele arbeiten mittlerweile als erfolgreiche Ingenieure. "Allerdings haben wir auch immer wieder Schüler, die nach ihrem Abitur eine andere Karriere gemacht haben", sagt Otto. So gebe es einen Pastor, Ärzte, einen Wirtschaftsprofessor, einen Höhlenmediziner, einen Schauspieler und Kulturwissenschaftler unter den Absolventen.

Manuela Jede gehörte zum ersten Jahrgang der G16 und machte in Farmsen 1989 ihren Schulabschluss. Anschließend studierte sie Verfahrenstechnik an der Technischen Universität Hamburg-Harburg. Seit 14 Jahren arbeitet die Ingenieurin nun in verschiedenen Bereichen bei Airbus, derzeit im Einkauf. "Am Technischen Gymnasium in Farmsen habe ich mir außer dem notwendigen Fachwissen das für meinen Beruf ebenso erforderliche Selbstbewusstsein geholt", sagt die 43-Jährige.

Sie engagiert sich heute besonders für Frauen in technischen Berufen. Seit 2,5 Jahren leitet sie in Hamburg den Arbeitskreis "Frauen im Ingenieurberuf" des Vereins Deutscher Ingenieure (VDI). Junge Frauen sollten nach der Schule auf jeden Fall Ingenieurberufe in Betracht ziehen, findet Manuela Jede. "Wir sind immer noch zu wenige."

Jede sieht das Technische Gymnasium als einen Prüfstein an: ob man seine Fähigkeiten und sein vielleicht zunächst nur allgemeines Interesse an der Technik beruflich vertiefen sollte. "Heute umgibt uns überall Technik, aber ein Smartphone zu bedienen oder einen technischen Beruf auszuüben, sind verschiedene Dinge." Doch die Jobchancen in einem technischen Beruf seien derzeit vor allem durch den Fachkräftemangel sehr gut, sagt Jede.

Hamburger Firmen nehmen gern Absolventen des Technischen Gymnasiums - gerade weil diese bereits viel Praxiswissen mitbringen. Julian Kuschel, 21, zum Beispiel macht derzeit bei der Hauni Maschinenbau AG eine Ausbildung zum Mechatroniker und ist bereits im zweiten Lehrjahr. "Julian Kuschel hat durch das Technische Gymnasium Vorteile", sagt sein Ausbilder Gerald Glaeser. "Die Ausbildung fällt ihm leichter, denn er ist bereits weiter als andere Azubis seines Jahrgangs." Darum setzt Glaeser Julian Kuschel bereits für die Betreuung und Unterweisung von Schülergruppen ein. "Wir haben leider zu wenig Bewerber aus diesen Schulen", sagt Glaeser. "Das sind genau die jungen Menschen, die wir brauchen."

Noch besser seien die Absolventen des Technischen Gymnasiums übrigens für duale Studiengänge geeignet, findet Glaeser. "Gerade im Studiengang Elektrotechnik, aber auch im Maschinenbau-Studium und bei den Technischen Produktdesignern können sie ihr Praxiswissen sehr gut nutzen." Auch Julian Kuschel möchte nach seinem erfolgreichen Abschluss ein Duales Studium aufnehmen - dann eventuell gefördert durch ein Stipendium von Hauni.