Karrierewege: Ingenieur wurde er nur den Eltern zuliebe. Doch das Wissen machte den Fotografen Hans Werner Briese zum Unternehmer.

Mit 25 Jahren war Hans Werner Briese in seinem Traumjob angekommen: Der Hamburger arbeitete als Werbefotograf für Marlboro, vor allem aber im Studio für Kosmetik- und Haarpflegehersteller wie L'Oreal und Schwarzkopf. Noch heute klingt die Begeisterung durch, wenn der 71-Jährige von dieser Zeit erzählt. Er kam in der Welt herum, hatte schöne Frauen vor der Kamera, "und die Sorge, nicht genug Geld zu haben, war mir völlig fremd".

Nur mit einem technischen Detail war Briese unzufrieden. Ihn störte das "matschige" Studiolicht. "Mit diesen Blitzgeräten war es sehr schwierig, so zu fotografieren, dass Haare nicht wie Watte oder wie Stroh aussahen", sagt er. In einer Garage baute er sich einen eigenen Reflektor, bei dem sich die Lichtquelle auf einer verschiebbaren Achse im Reflektormittelpunkt befindet und somit auch ein "knackiges", sonnenähnliches Licht erzeugen kann.

Für diese Arbeit erwies sich Brieses eigentlich eher ungeliebte Ausbildung als sehr hilfreich: Weil seine Eltern - der Vater war Postbeamter - wollten, dass er ungeachtet seiner früh erwachten Leidenschaft für die Fotografie "etwas Ordentliches" lernt, hatte er ein Studium zum Physik-Ingenieur absolviert. Briese ließ sich die neue Reflektortechnik patentieren und fand in der schweizerischen Firma Bron Elektronik, einem der führenden Studiolichtspezialisten, einen Hersteller dafür. Dabei blieb es nicht. Immer mehr Patente kamen hinzu. Der damals 30 Jahre alte Hamburger begann, im Auftrag von Bron einen weiteren Reflektor zu entwickeln. Doch das erwies sich schließlich als Sackgasse.

"Ich hatte so viele Ideen, die Schweizer waren dafür zu konservativ", erinnert sich Briese. Zudem hatte er mehr und mehr das Gefühl, die Zusammenarbeit sei finanziell nicht zu seinem Vorteil: "Ich hatte von kaufmännischen Dingen ja überhaupt keine Ahnung." Schließlich fasste er den Beschluss, in eigener Regie zu produzieren. Briese räumt freimütig ein, damals völlig unterschätzt zu haben, wie viel ihn das kosten würde - in jeder Hinsicht. Nur mithilfe der Bürgschaftsgemeinschaft kam er an die benötigten Bankkredite. "Es gab Phasen, da habe ich 14 bis 16 Stunden am Tag gearbeitet, aber Geld hatte ich trotzdem nicht." In dieser Zeit zerbrach seine erste Ehe.

"Wenn ich vorher gewusst hätte, was auf mich zukommt, hätte ich das nie angepackt", sagt Briese. "Mehr als einmal habe ich mir mein früheres Leben als Fotograf zurückgewünscht." Dass er es schließlich doch geschafft hat, führt er heute auf sein Gespür für kommende Entwicklungen in der Branche zurück: "Ich habe richtig Glück gehabt, weil ich immer das passende Produkt zur rechten Zeit hatte."

Als sich in der Studio-Werbefotografie der Diafilm durchsetzte und nachträgliche Farbkorrekturen nicht mehr so leicht möglich waren, kam es Briese zugute, dass er schon früh auf Xenon-Blitzlicht gesetzt hatte: "Diese Geräte kommen mit ihrem nahezu kontinuierlichen Farbspektrum dem Sonnenlicht sehr nahe."

Die dazugehörige Elektrotechnik aber war eine Herausforderung: "Man arbeitet mit 1000 Volt Spannung und mit 5000 Ampere Stromstärke, also kurzzeitig mit einer Leistung von fünf Megawatt." Es galt, einen sicheren Umgang mit diesen Blitzgeräten zu ermöglichen, denn die Menschen, die mit diesen Blitzgeräten hantieren, sind "eher Künstler als Techniker".

Auch hier half Briese sein Studium, genauso wie beim nächsten Technologiesprung etwa um die Jahrtausendwende. "Mit dem Übergang auf die digitale Fotografie auch im Studio erwarteten die Auftraggeber von den Werbefotografen immer häufiger auch kurze Filme für das Internet", sagt Briese. Damit brauchte man in den Fotostudios zusätzlich Dauerlicht.

Wieder gehörte der Hamburger zu den Pionieren, wenn auch mit gemischten Gefühlen: "Ich hatte so viele Jahre gebraucht, wirklich tolle Blitzgeräte zu entwickeln. Alles, was ich damit verdiente, investierte ich nun in das neue Filmlicht." Die Lösung lag diesmal in Halogen-Metalldampflampen, auch bekannt als HMI-Lampen. Zwar ist die Lichtausbeute hoch, aber die Technik ist anspruchsvoll - eine Lampe von 6000 Watt braucht kurzzeitig 50.000 Volt Spannung, um zu zünden.

Inzwischen macht das Dauerlicht den größeren Teil der Produktion aus. Doch Briese begnügte sich nicht damit, auch auf diesem Feld die Nase vorn zu haben. Vor zwölf Jahren kaufte er eine alte Fabrikhalle in Winterhude und baute sie in moderne Foto- und Filmstudios von insgesamt 1500 Quadratmetern um. Es gibt dort jetzt eine Küche, eine Bar und Frisierplätze "Meine Freunde haben mich für verrückt erklärt", sagt Briese, "aber nur so kann ich meine Ware auch demonstrieren. Es kommen Menschen aus Los Angeles, aus New York, aus Indien und Japan, um die Geräte auszuprobieren." Die Studios werden einschließlich der Kamera- und Beleuchtungstechnik für Foto- und Werbefilmproduktionen vermietet, aber auch für Produktpräsentationen und Firmenveranstaltungen.

Zehn Beschäftigte hat Briese heute - fünf in der Lichtanlagen-Produktion, fünf für den Studiobetrieb. Seine jetzige Ehefrau managt die Studios. Auch wenn die Blitzgeräte und Filmlampen den Großteil zum Jahresumsatz beisteuern, scheint es, als habe der Unternehmer wieder den richtigen Riecher gehabt. "Die für Werbeproduktionen benötigte Studioausstattung ist inzwischen so teuer, dass es immer interessanter wird, sie zu mieten", sagt er. So koste eine einzelne Lichtquelle, ganz gleich ob Blitzgerät oder Lampe, 10.000 bis 12.000 Euro, für die gesamte Ausrüstung müsse man etwa 100.000 Euro rechnen, und dieser Betrag sei nach nur drei Jahren abgeschrieben - "welcher Fotograf verdient schon so viel?"

Briese sieht die Studios aber auch als Beitrag gegen eine Tendenz, die er sehr bedauert: "Hamburg tut wenig für Künstler. Viele Fotografen laufen uns weg, häufig nach Berlin. Wenn das so weitergeht, wandert das gesamte kreative Umfeld ab, auch die Friseure und Visagisten." Für ihn ist das keine Option: "Hamburg ist für mich der richtige Platz, ich will gar nicht nach Berlin." Er wohnt in einem Penthouse praktisch auf dem Firmengelände und hat nach eigenen Worten keinen Hang zu besonderem Luxus: "Ich habe immer sehr bescheiden gelebt, ein großes Auto brauche ich nicht."

Auch wenn Briese längst im Rentenalter ist, denkt er nicht ans Aufhören: "Solange ich fit bin, werde ich weitermachen." Zwar sehen Banken es nicht gern, wenn Firmenchefs nicht rechtzeitig einen Nachfolger präsentieren. "Aber Banken brauche ich zum Glück nicht mehr."