Berufsanfänger erhalten oft weniger Geld und Urlaub als ältere Mitarbeiter. Einige zogen vor Gericht und erzielten dort Teilerfolge

Sie kriegen weniger Gehalt, weniger Urlaub und gehören oft zu den Ersten, die ein Stellenabbau trifft: Jüngere haben im Arbeitsleben nicht immer bessere Karten als Ältere. Das liegt an tariflichen und gesetzlichen Regeln. Aber darf das so sein? Das ist eine Frage, die sich mit Blick auf das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) heute mehr denn je stellt. Es verbietet die Diskriminierung wegen des Alters - darauf können sich auch Jüngere berufen.

29 Prozent der Erwachsenen unter 30 Jahren haben sich schon einmal wegen ihres Alters benachteiligt gefühlt, ergab eine Forsa-Umfrage im Auftrag der Antidiskriminierungsstelle des Bundes (ADS). Von den 45- bis 59-Jährigen klagt darüber jeder Fünfte (22 Prozent), von den Befragten ab 60 Jahren etwa jeder Sechste (18 Prozent).

Einige dürften sich über diese Zahlen wundern: Worüber können Jüngere sich beschweren, wenn es um Altersdiskriminierung geht? "Ein Beispiel sind Tarifverträge, in denen Urlaubsansprüche oder Gehaltsstufen nach dem Alter gestaffelt sind", sagt Jurist Bernhard Franke von der ADS.

Solche Staffelungen gebe es auch in Betriebsvereinbarungen und Arbeitsverträgen, sagt Arbeitsrechtler Michael Eckert, Vorstandsmitglied im Deutschen Anwaltverein. Streitpunkte sind außerdem gesetzliche Kündigungsregeln, die für Jüngere von Nachteil sind.

Manch unterbezahlter Berufseinsteiger dürfte beim Gedanken an gleiches Gehalt leuchtende Augen bekommen. Doch Franke wiegelt ab. Nicht jede Ungleichbehandlung sei Diskriminierung. Es komme auf die Begründung an, darauf, ob sie sachlich gerechtfertigt ist. "Die Rechtslage ist außerdem noch nicht endgültig geklärt", sagt Eckert.

Einige Tarifregelungen sind immerhin schon gekippt worden. Das Bundesarbeitsgericht hat kürzlich die altersabhängige Staffelung der Urlaubsdauer im Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst (TVöD) für unwirksam erklärt (Az.: 9 AZR 529/10). Die jüngeren Beschäftigten haben Anspruch auf mehr Urlaub als bisher.

Entsprechend hatte früher schon das Landesarbeitsgericht Düsseldorf in einem ähnlichen Fall geurteilt (Az.: 8 Sa 1274/10). Die Richter ließen dabei nicht gelten, dass eine solche Staffelung der besseren Vereinbarkeit von Familie und Beruf diene. Dieses Argument dürfte generell nicht mehr ziehen, meint Eckert. Schließlich sei ein 35-Jähriger mit kleinen Kindern familiär viel stärker eingespannt als ein 55-Jähriger, dessen Kinder groß sind. Eckert: "Jede nur nach dem Alter gestaffelte Urlaubsregelung ist nicht mehr zu halten."

Auch das Eingruppieren in Gehaltsstufen nach dem Alter im früher gültigen Bundesangestelltentarifvertrag (BAT) war eine verbotene Diskriminierung, wie inzwischen höchstrichterlich entschieden wurde. Der Europäische Gerichtshof (EuGH, Rechtssachen C 297/10 und C 298/10) und das Bundesarbeitsgericht (BAG, Az.: 6 AZR 481/09) erklärten die Regelung für unzulässig. Ergebnis: Betroffene konnten Nachzahlungen fordern, wenn sie ihre Ansprüche rechtzeitig angemeldet hatten. Das zahlte sich aus: In solchen Fällen erfolgt immer eine "Anpassung nach oben", erklärt Eckert. Das heißt aber nicht, dass beim Gehalt Aspekte tabu sind, die indirekt mit dem Alter zu tun haben. "Berufserfahrung darf honoriert werden."

Ein weiterer Fall: die Kündigungsfristen. Derzeit steht im Bürgerlichen Gesetzbuch noch, dass beim Berechnen der Fristen Beschäftigungszeiten erst ab dem 25. Lebensjahr berücksichtigt werden. Das hat der EuGH 2010 aber als Diskriminierung gewertet. Die Neuregelung stehe noch aus, doch in der Praxis sei das bereits unwirksam, sagt ADS-Anwalt Franke. Die Regel hatte dazu geführt, dass Jüngeren Berufsjahre nicht angerechnet wurden, wodurch sich ihre Kündigungsfrist verkürzte.

Strittig ist auch die Frage, wer bei Stellenabbau zuerst gehen muss. Denn das sind laut Gesetz meist die Jüngeren - zumindest wenn sie bei der Sozialauswahl keine Unterhaltspflichten oder eine Schwerbehinderung geltend machen können. Denn ansonsten zählen Lebensalter und Betriebszugehörigkeit. Zurzeit ist aber noch "völlig unsicher", ob eine Klage gegen diese Regel eine Chance hätte. Sie habe nur Sinn, wenn das Alter das einzige Kriterium ist, das in der Sozialauswahl den Ausschlag gibt. Das ist selten der Fall. Damit verbunden ist die Frage um die Abfindung im Sozialplan. Franke: "In der Regel kriegen Ältere eine höhere Abfindung." Das erklärte das BAG 2011 noch für zulässig.