Ein Kommentar von Maren Lehky

Die Grenzen zwischen Arbeit und Privatleben verwischen immer mehr. Mitarbeiter loggen sich von zu Hause im Firmensystem ein, arbeiten am Wochenende an Präsentationen, sind in Rufbereitschaft, melden sich aus dem Urlaub. Der psychologische Vertrag zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber hält aber nur, wenn das Prinzip des Gebens und Nehmens in der Balance ist.

So wird es für Arbeitgeber immer wichtiger, den Menschen im Mitarbeiter zu sehen - und damit dessen private Herausforderungen wie "Sorgenkinder", kranke Eltern, Schulden oder Scheidung. Auch die privaten Dramen fließen in die Arbeit ein, auch hier vermischen sich Grenzen. Sich diesen Themen zu stellen und damit auch Burn-out-Fällen vorzubeugen muss nicht viel kosten - außer Mitmenschlichkeit, Einfühlungsvermögen und manchmal tatkräftige Hilfe.

Ein wunderbares Beispiel dafür sah ich kürzlich in einem Kundenunternehmen. Die Frau eines türkischen Mitarbeiters war gestorben, neun Monate später auch der Sohn. Der Angestellte war am Boden zerstört, seine große Sorge war das fehlende Geld, um den Leichnam seines Sohnes in die Türkei zu überführen. Die Kollegen packten an: Abwechselnd verbrachten sie nach Schichtende den Nachmittag bei ihrem verzweifelten Kollegen, um zu helfen und damit er den Halt nicht ganz verlor. Der Arbeitgeber wiederum stellte schnell und unbürokratisch aus dem Sozialfonds 2500 Euro für die Überführung bereit. Der Betriebsrat kümmerte sich um die Organisation mit dem Bestattungsunternehmen.

Die Kollegen, die das veranlasst hatten, wurden vom Chef ausdrücklich für ihre Mitmenschlichkeit gelobt; der Personalbereich bedankte sich mit einem Brief. So standen alle zusammen wie eine Elefantenherde, um ein verwundetes Tier zu stützen. Das wird nicht nur der Betroffene nie wieder vergessen, sondern auch alle Kolleginnen und Kollegen, die das miterlebten. Mit solch einer Firmenkultur muss sich ein Unternehmen um Kundenorientierung und Produktivität keine Sorgen machen.

Maren Lehky ist Unternehmensberaterin und Autorin. Im Internet unter www.lehky-consulting.de