Islamwissenschaftler studieren Geschichte, Kultur, Wirtschaft und Politik des Orients. Viele brechen ab, weil sie mit den Vokabeln kämpfen

Früher war Islamwissenschaft ein Nischenfach. Dann kam der 11. September 2001. "Danach wurden die Institute überrannt", sagt Islamwissenschaftlerin Johanna Pink von der Freien Uni Berlin. Denn nach den Terror-Anschlägen in New York wurde plötzlich viel über den Islam debattiert. Dem Ansehen der Religion und ihrer Gläubigen hat das nicht gerade gutgetan. Das Interesse an der Islamwissenschaft sei aber größer geworden, sagt Pink.

Das bestätigt auch Professor Dr. Stefan Heidemann, der an der Uni Hamburg Islamwissenschaft lehrt. "Immer wenn die islamische Welt im Gespräch ist, wächst das Interesse an unserem Studienfach." Allerdings auch das Missverständnis. "Seit 9/11 haben viele einen sehr engen Begriff vom Islam und damit auch von der Islamwissenschaft." Viele dächten, es gehe dabei um Theologie und die politische Richtung, die sich daraus ableitet. Was nicht richtig sei: "Islamische Theologie spielt zwar eine Rolle, aber nur insoweit sie Einfluss auf die Geschichte, Gegenwart und Kultur nimmt", erklärt Stefan Heidemann.

Bekenntnisorientierte Theologie werde in den "Islamischen Studien" gelehrt, in denen Religionslehrer ausgebildet werden. Heidemann: "Aber das ist klar etwas anderes als das, was wir machen." In der Islamwissenschaft geht es vielmehr um das Studium der Sprache, Gesellschaft, Kultur, Politik und eben Religion der islamischen und arabischen Welt. Dazu gehören außer der Türkei und dem Iran der ganze Nahe und Mittlere Osten.

Jede Uni setzt unterschiedliche Schwerpunkte. Arabistik etwa, die Auseinandersetzung mit arabischer Sprache und Literatur, ist an einigen Unis Teil der Islamwissenschaft, an anderen ein eigener Studiengang. An der Uni Hamburg werden die 200 Studenten des Bachelor- und Masterstudiengangs von drei Professoren betreut. Schwerpunkte sind kulturelle, politische und wirtschaftliche Geschichte, Ethik und Religionswissenschaft, gegenwartsbezogene Studien sowie Sprachen.

"Voraussetzung für das Studium der Islamwissenschaft ist eine Sprachbegabung", sagt Islamwissenschaftlerin Pink. Außer Arabisch müssen Studenten Persisch oder Türkisch als zweite Sprache lernen. Auch Englisch und Französisch werden gefordert. "Die meisten studienrelevanten Bücher sind nicht auf Deutsch geschrieben." Gerade Arabisch werde vielen zum Verhängnis. "Die Abbruchquote unter den Erstsemestern ist sehr hoch", sagt Pink. Nach ihrer Beobachtung gibt fast die Hälfte der Studienanfänger auf.

Islamwissenschaftler Stefan Heidemann hat festgestellt, dass die Begeisterung für das Fach mit dem Zugang zur arabischen Sprache steht und fällt. "Von vielen wird die Islamwissenschaft als cooles Studienfach angesehen", sagt er. "Doch das schwindet schnell, wenn es ans Vokabellernen geht." Er rät nur denjenigen zum Studium, die sich ernsthaft für die Sprache interessieren. "Denn nur wenn man mit dem Arabischen warm wird, wenn man sich wirklich dafür begeistern kann, lernt man auch gut."

Josephine Gehlhar hatte damit keine Probleme. Für sie ist Arabisch eine logische Sprache. "Ich wollte ursprünglich Mathematik und Physik studieren", erzählt die Islamwissenschaftsstudentin. In einem Studienführer entdeckte sie das Fach. "Das hat mich direkt gepackt", sagt die 26-Jährige. Doch nicht nur die Sprache hat es ihr angetan. "Islamwissenschaft bietet eine große Bandbreite. Von verschiedenen Perspektiven kann man sich der Materie nähern: sprachlich, philosophisch, kulturell, politisch." Im Gegensatz zu Kommilitonen will Gehlhar in die Forschung. Andere hätten Politik und Wirtschaft als Zusatzfach gewählt. Nach einem Praktikum, etwa bei der deutschen Außenhandelskammer Dubai, wollen sie später in die Wirtschaft.

Wie alle Studenten der Geisteswissenschaften müssen sich auch Islamwissenschaftler ihren Weg und Schwerpunkt selbst suchen. Ein fertiges Berufsbild gibt es für sie nicht; die Arbeitsbereiche, in denen sie ihre Sprachkenntnisse, ihr Wissen und ihre kulturellen Erfahrungen einbringen können, sind sehr vielfältig, sagt Professor Heidemann. Absolventen gehen in den Journalismus, arbeiten für politische Stiftungen, internationale Organisationen, Handelskammern, Museen und Bibliotheken, oder sie bleiben in der Wissenschaft.

Stefan Heidemann weiß auch von ehemaligen Studenten, die heute in der Senatsverwaltung für Ausländerfragen arbeiten, Buchhändler oder Verleger sind. Gerade in Hamburg steigen derzeit die beruflichen Möglichkeiten für Islamwissenschaftler, glaubt Heidemann. Durch die Vereinbarungen des Senats zur Zusammenarbeit mit den hier ansässigen islamischen Gemeinschaften würden künftig zusätzliche "kulturelle Übersetzer" gebraucht.