Karrierewege: Früher war Profifußballer Jens Duve “Chef“ beim FC St. Pauli. Heute managt er fünf ambulante Rehazentren und 300 Mitarbeiter.

Die Karriere bekam auf dem Höhepunkt der Leistungsfähigkeit den entscheidenden Riss. 1990 war Jens Duve mit 28 Jahren im besten Fußballeralter, Profi beim FC St. Pauli, zwei Jahre zuvor mit dem Kiezclub in die Bundesliga aufgestiegen. Das Fachmagazin "kicker" nominierte den Abwehrspieler in der Saison 1988/89 sogar für die Elf des Jahres. Im September sprang der 1,94-Meter-Hüne dann im Training zum Kopfball hoch - und landete unglücklich. Das Kreuzband im linken Knie riss. Zum zweiten Mal.

Bereits 13 Monate zuvor hatte sich der gebürtige Hamburger bei einem Zusammenprall mit dem späteren Nationalelftorwart Andreas Köpke alles gerissen, was dem Knie Stabilität gibt: Kreuzband, Innenband, Meniskus und Kapsel waren kaputt. Duve war klar, was kommen würde: monatelange Reha. "Dieses Mal hat aber alles viel länger gedauert als in der ersten Reha-Phase", erinnert sich Duve: "Weihnachten 1990 wusste ich, dass ich nicht mehr auf die Beine komme und mich ernsthaft um eine neue Karriere kümmern muss."

Im Gegensatz zu vielen anderen Fußballern hat Duve stets viel Wert auf eine solide Berufsausbildung gelegt. Nach seinem Abitur am Alexander-von-Humboldt-Gymnasium in Wilstorf machte er eine Lehre bei der Deutschen Bank. "Fußballprofi bin ich erst über den zweiten Bildungsweg geworden", sagt Duve. HSV-Manager Günter Netzer fiel der junge Spieler des SC Concordia auf, er gab ihm 1985 einen Zweijahresvertrag. An Nationalspieler Ditmar Jakobs und dem Belgier Gerard Plessers kam er aber nicht vorbei. Nach nur sechs Bundesligaeinsätzen wechselte er im Winter 1986 zum FC St. Pauli in die Zweite Liga.

"Im Verein habe ich mich zum Leader entwickelt", sagt Duve. Die Mitspieler akzeptierten ihn sofort, verpassten ihm den Spitznamen "Chef". Für das Team verhandelte er die Prämien, nach dem Aufstieg ins Fußballoberhaus gab er dem Präsidium Tipps für den Aufbau professioneller Strukturen, wie er sie in seiner HSV-Zeit kennengelernt hatte.

Weil er nur noch Halbprofi war, trieb Duve seine Ausbildung voran. Er schrieb sich 1987 an der Uni Hamburg für Betriebswirtschaftslehre ein. "Ich habe ein ganz normales Studentenleben geführt", erinnert er sich an die "sehr schöne Zeit". Die Kommilitonen versorgten ihn mit Skripten aus Vorlesungen, wenn er trainieren musste, er bildete mit ihnen Lerngruppen, sie zogen abends auch mal um die Häuser. Der kleine Unterschied: "Ich bekam damals ein richtiges Gehalt, meine Freunde mussten von 200 D-Mark leben."

Als das Verletzungspech zuschlug, beendete Duve nach 55 Spielen in der Bundesliga und 49 Partien in der Zweiten Liga seine Karriere als Profisportler - und gab an der Uni Gas. Mit dem Schicksal hadert er nicht: "Im Leben kommt es, wie es kommen soll. Die Tür Fußball ist zugegangen, eine andere hat sich geöffnet." Rund zwei Jahre nach seinem Aus als Profi machte er im April 1992 seinen Abschluss als Diplom-Kaufmann. Sein Ziel: die Selbstständigkeit. "Ich möchte selbst das Heft des Handelns in der Hand halten", hieß seine Maxime. Die Erkenntnis hatte er in seiner Bundeswehr-Zeit gewonnen, als ihm die Truppe ein einwöchiges Probetraining bei Werder Bremen verbot.

Auch der Sektor, in dem er fortan arbeiten wollte, war für den Sportinvaliden schnell klar. "Ich habe zwölf Monate Reha als Patient aufgesogen und wusste, dass das ein Markt der Zukunft ist." Die Politik habe gerade über die hohen Kosten für Kuren diskutiert - seine Geschäftsidee half, sie zu senken. Duve plante die Gründung eines ambulanten Rehazentrums. Die Vorteile: Die Krankenkassen sparen das Geld für den Hotelaufenthalt, der Patient bekommt tagsüber seine Behandlung und kann abends nach Hause zu seiner Familie und in die eigenen vier Wände.

Das Startkapital bescherte Jens Duve ausgerechnet das malade Knie. Weil die Verletzung als Berufsunfall eingestuft wurde, hatte er gegenüber der Berufsgenossenschaft Anspruch auf medizinische und berufliche Maßnahmen. "Ich habe auf eine erneute dreijährige Ausbildung verzichtet und stattdessen eine Anschubfinanzierung erhalten." Er fand eine Immobilie am Friedrich-Ebert-Damm, holte sich mit dem Orthopäden Dr. Knut Heinert einen Mitgesellschafter als ärztlichen Leiter an Bord und eröffnete 1992 sein erstes Rehazentrum in Wandsbek. "Chef" war nun Vorgesetzter von 15 Angestellten, vom Arzt über den Masseur bis zum Physiotherapeuten. Seine Rolle beschreibt er als "Trainer der Mannschaft. Ich muss die Jungs und Mädels motivieren."

Ein Jahr später machte er sein zweites Rehazentrum in Harburg auf. Wieder fing er mit 15 Leuten an, hatte am Anfang im Jahr 500 Patienten. Heute beschäftigt er dort 65 Mitarbeiter, die 2000 Patienten pro Jahr versorgen. "2003/04 sind dann andere Konzerne auf uns aufmerksam geworden", erzählt Duve. ",Ihr Geschäftsmodell ist sexy', haben sie mir gesagt." Nachdem er sich bereits 1997 von seinen Anteilen am Wandsbeker Zentrum getrennt hatte, verkaufte er nun drei Viertel seiner Anteile am Harburger Rehazentrum an den Damp-Konzern. Duve wurde geschäftsführender Gesellschafter der Damp-Tochter Casemanagement Reha Nord. Sein Auftrag: für die Damp-Gruppe in Norddeutschland ambulante Zentren erwerben.

Duve schlug in Norderstedt, Lüneburg, Lübeck und Kiel zu, hatte nun 300 Mitarbeiter unter sich und verantwortete knapp neun Millionen Euro Umsatz pro Jahr. "Der Konzern hat mich laufen lassen", sagt er. Eine Bedingung, die er sich auserbeten hatte, auch nachdem vor gut einem Jahr die Eigentümer gewechselt haben.

Damp gehört nun zur Helios-Gruppe, die 72 Kliniken in Deutschland betreibt. Das jüngste Projekt entsteht an der Holstenstraße. "Wir bauen in der Endo-Klinik ein qualitativ hochwertiges sportmedizinisches Zentrum mit einmaliger Aussicht", schwärmt der verheiratete Vater dreier Kinder, der ganz in der Nähe auf St. Pauli wohnt. Von April an sollen auf sechs Etagen 80 Mitarbeiter die Patienten versorgen, die zuvor von den Knie- und Hüftspezialisten der Klinik operiert wurden. Dieses Mal ist eine Verbindung aus stationärer und ambulanter Reha geplant. "Der Therapeut wandert drei Monate lang mit seinem Patienten mit", sagt Duve, der für den Konzern weitere Standorte aufbauen soll.

2010 hat er auch an ein Netzwerk aus alten Zeiten wieder angeknüpft: Beim FC St. Pauli ist der heute 50-Jährige einer von vier ehrenamtlichen Vizepräsidenten. Sein Kreuzband zerriss zwar seine Sportlerkarriere, aber nicht die Verbindung zum Kiezclub. Duve: "Mein Herz hängt an St. Pauli."