Ein Kommentar von Jon Christoph Berndt

Wer im Berufsleben keine Kraft, keine Lust oder beides mehr hat, ist gut beraten, das einzugestehen - erst sich selbst, dann den anderen. Das kommt heute, nachdem die gute Schwäche zu einer neuen Stärke geworden ist, besser, als mit Biegen und Brechen den starken Max zu markieren: Wer diese Stärke zeigt, wird mehr und mehr gemocht bis bewundert und erntet mehr und mehr "Ich-auchs", wenn auch derzeit noch leise.

Papst Benedikt XVI. ist ein echter Vorausgeher und Wegbereiter in der zeitgenössischen Arbeitswelt. So charmant kann es klingen, wenn man in den Sack haut: "Ich bin zur Gewissheit gelangt, dass meine Kräfte infolge des vorgerückten Alters nicht mehr geeignet sind, um in angemessener Weise den Petrusdienst auszuüben." Gleichzeitig nimmt er Kritikern, und von denen gibt es in exponierter Stellung reichlich, vorsorglich den Wind aus allen Segeln. "Ich bitte euch um Verzeihung für alle meine Fehler." Das klingt so klar wie konsequent wie kompromissfrei. Schön, wenn jemand in Zeiten seiner Schwäche so stark ist. Es ist die Aussicht, dass es bald vorbei sein wird, die zu einem letzten Höhenflug im Kreise der Kollegen führt.

Nun geht zum einen das Gehen auch früher als mit 86 Jahren; zum anderen muss eine eigene nächste Station nicht auch das Klausurkloster Mater Ecclesiae sein. Was stattdessen durchaus folgen kann nach einer kraftvollen Zäsur, ist die fruchtbare Zeit der inneren Einkehr und Besinnung - sich zurückziehen und dann mit neuer Kraft wiederkommen, präsenter und stärker als je zuvor. Und nach einiger Zeit - so ist es immer - wird guter Voraussicht nach nicht der Rücktritt, nicht die Schwäche in Erinnerung bleiben, sondern das bewundernd zur Kenntnis genommen werden, was daraus an Neuem und Schönerem geworden ist.

Dafür, dass es neuer und schöner wird, gibt es keine Garantie, doch eine reelle Chance. Das ist eine ganze Menge. Mehr hat uns niemand versprochen. Versprechen, dass es so kommt, kann es sich der Zurücktreter in der Stunde seiner großen Stärke selbst.

Jon Christoph Berndt ist Markenexperte, Management-Trainer und Keynote-Speaker. Im Internet unter www.human-branding.de