Wibke Bachor ist Chefin der Otto Freizeit und Touristik GmbH. Die flexible Vertrieblerin hat schon Schuhe, Blumen und Brötchen verkauft.

Wibke Bachor ist gerade aus dem Urlaub zurück. Über die Skipisten des Örtchens Werfenweng im Salzburger Land ist sie gesaust und hat in einem Vier-Sterne-Superiorhotel mit Whirlpools und Saunalandschaft übernachtet. "Reisen ist die beste Möglichkeit, um mich zu entspannen", sagt sie. Dabei sollte man eigentlich denken, dass die Chefin der Otto Freizeit und Touristik GmbH (OFT) in den Ferien eher einen weiten Bogen um große Hotels und einschlägige Touristengebiete machen würde. Schließlich beschäftigt sich die Geschäftsführerin schon beruflich mit den Urlaubswünschen der Deutschen. 340 Reisebüros der Marke Reiseland gehören zu dem Tochterunternehmen der Hamburger Otto-Gruppe, ebenso wie die Internetportale flug.de und Travelchannel.de.

Doch eine strikte Trennung zwischen Arbeit und Freizeit ist nicht Bachors Sache. Die Chefin lebt für ihren Beruf. Enthusiasmus schwingt in ihrer Stimme mit, wenn sie mit ausladenden Gesten von ihren liebsten Reisezielen und jüngsten Projekten erzählt. Den Konferenzraum hat sie im Stil einer Safari-Lodge mit künstlichen Elefanten und Klappstühlen umbauen lassen. Einige Büros in der Barmbeker Zentrale sind wie eine Unterwasserwelt oder eine Seilbahngondel gestaltet.

Motivation für die Mitarbeiter soll das sein und eine kleine Belohnung für die guten Zahlen, die OFT 2012 erwirtschaftet hat. Um drei Prozent auf rund 700 Millionen Euro ist der Umsatz geklettert. Die Kette Reiseland hat sogar um zehn Prozent zulegen können. Nun verordnet Bachor auch den Reisebüros mehr Urlaubsatmosphäre und lässt testweise Flugzeugkabinen für die Beratungen in die Filialen einbauen.

Ihre Begeisterungs- und ihre Durchsetzungsfähigkeit dürften dazu beigetragen haben, dass es Bachor, die ihr Alter nicht verrät, als eine der wenigen Frauen an die Spitze eines deutschen Touristikunternehmens geschafft hat. "Verantwortung zu übernehmen hat mir schon immer Spaß gebracht, und das habe ich auch offen kommuniziert", sagt sie. "Das machen heute vielleicht noch nicht alle Frauen, die es können und wollen."

Dass die bekennende Vielfliegerin einmal in der Reisebranche landen würde, war keineswegs absehbar. Nach Abitur in Rahlstedt und BWL-Studium in Hamburg hat sie schon Schuhe, Blumen und Brötchen verkauft und dabei in den Führungsetagen einiger der bekanntesten Handelsunternehmen gearbeitet. "Karriere hat viel mit gelenktem Glück zu tun", sagt sie. "Oft war ich zur rechten Zeit gerade am rechten Ort."

Schon während des Studiums jobbte Bachor bei der Schuhhandelskette Görtz. Ihre guten Kontakte sorgten dafür, dass sie direkt nach dem Diplom - mit gerade einmal 23 Jahren - mit dem Aufbau eines Franchisesystems für die Marke Görtz 17 betraut wurde.

Kurze Zeit später stieg sie als erste Frau in den Rang einer Regionalleiterin auf - was prompt zu Irritationen unter den männlichen Führungskräften führte. Die fragten sich, ob die junge Kollegin tatsächlich einen 3er BMW als Dienstwagen benötigte, der in dieser Position eigentlich Standard war. Ein Golf täte es doch auch, hieß es. Bachor bekam den BMW.

Nach Schuhkönig Ludwig Görtz wurde ein anderer Hamburger Patriarch auf die Betriebswirtin aufmerksam. Der scheue Milliardär und Tchibo-Miteigentümer Michael Herz holte Bachor als Franchise-Expertin in seine Kette Blume 2000. "Von ihm habe ich damals alle Grundlagen meines heutigen Handelswissens gelernt. Er war so etwas wie mein Mentor."

Einfach war der Wechsel von der Schuh- in die Floristenbranche allerdings nicht. "Am Anfang konnte ich kaum einen Ficus von einer Palme unterscheiden", erinnert sich die Managerin. Doch sie arbeitete sich schnell ein, konnte schon bald ihre Ergebnisse verbessern und das Vertriebsnetz erweitern. Alle vier bis fünf Jahre hat Wibke Bachor in ihrer Karriere die Branche gewechselt. Woher kommt dieser Drang, immer wieder ins kalte Wasser zu springen? Die Managerin überlegt einen Augenblick. "Ich bin einfach neugierig und habe keine Angst vor Veränderungen", sagt sie dann.

Neugier war es auch, die Bachor von Blume 2000 zur Kette des einstigen Großbäckers Heiner Kamps wechseln ließ. Der hemdsärmelige Unternehmer war nach seinem Börsengang Ende der 90er-Jahre gerade dabei, den größten Backkonzern Deutschlands zu schmieden. Erneut musste sich die Hamburgerin komplett fremde Materie aneignen. "Ich habe erst einmal Brötchen gebacken, Hefezöpfe geflochten und in einer Filiale Brote verkauft, um alle Ebenen des Unternehmens kennenzulernen."

Danach fiel Bachor als Vertriebschefin die Aufgabe zu, die zahlreichen kleineren Ketten, die sich Kamps damals einverleibte, in das Imperium zu integrieren und auf eine gemeinsame Marke und ein einheitliches Sortiment auszurichten. Nicht einfach, musste sie doch beispielsweise die Berliner Bäcker davon überzeugen, Spezialitäten wie das Eclair aus dem Regal zu kippen. Das längliche, gefüllte Gebäck mit Schokoüberzug hatte zwar eine lange Tradition, verkaufte sich aber schlecht.

"Die Arbeit bei Kamps war sicher die intensivste Zeit in meiner Karriere", sagt Bachor. "Ich war ständig unterwegs, habe kaum mal zwei Nächte hintereinander in einem Bett geschlafen." Sie zog nach Düsseldorf, fuhr am Wochenende aber immer zu ihrem damaligen Freund und heutigen Mann nach Hamburg.

Nicht einfach für die Beziehung. Darum suchte Bachor nach einer Aufgabe im Norden und nahm eine Stelle bei TUI Leisure Travel in Hannover an. Stressfreier wurde ihre Arbeit aber kaum, sollte sie doch die verlustreichen Reisebüros des Touristikkonzerns zurück in die Gewinnzone führen. Sie schloss Filialen und entließ mehr als 600 Mitarbeiter. "Natürlich bereitet einem das schlaflose Nächte", sagt Bachor. Sie investierte aber auch in die Mitarbeiterschulung und die Filialgestaltung und schaffte es so, die Sparte wieder auf Wachstumskurs zu bringen.

Diese Arbeit wiederholt Bachor nun in leicht veränderter Form bei der Touristiktochter der Otto-Gruppe. Hat sie das Gefühl, am Ende ihrer Reise angekommen zu sein? "Eine Aufgabe im Ausland würde mich schon sehr reizen", sagt die Managerin. "Das hat sich bislang noch nicht ergeben."

Und die Familie? "Kinder wären bei dem hohen Einsatz in den vergangenen Jahren eine noch größere Herausforderung gewesen", gesteht Bachor zu. Für ihren Mann und Freunde nimmt sie sich aber trotz des Stresses im Büro viel Zeit. "So wichtig kann ein Job gar nicht sein, dass die Partnerschaft dabei auf der Strecke bleibt."