Ein Kommentar von Mark Hübner-Weinhold

"Das Einzige, was stört, sind die Mitarbeiter." Diese Klage eines Abteilungsleiters klingt zynisch und ist politisch nicht korrekt. Aber sie ist manchmal nur allzu verständlich. Es ist schon verblüffend, mit welchen Wünschen und Problemen manche Mitarbeiter ihre Führungskräfte belagern. Werden zum Beispiel Teams neu zusammengestellt, Kollegen versetzt oder bei Umzügen neu platziert, geht das Gequengel los: Die kann nicht mit der, der will nicht mit dem, da stimmt die Chemie auch nicht, und der neue Arbeitsplatz ist überhaupt eine Zumutung. Wer schon einmal Umzüge geplant oder Projektteams geleitet hat, weiß, welche persönlichen Befindlichkeiten plötzlich zutage treten.

Die Erfahrung zeigt: Es sind nur wenige, aber sie machen viel Lärm. Denn auch bei Mitarbeitern gilt die Pareto-Regel: 20 Prozent der Leute verursachen bei der Personalführung 80 Prozent der Arbeit. Die anderen machen still und effizient ihren Job. Man hört kaum Klagen, man liest nicht ständig Mails von ihnen. Und oft genug ist auch diese Mehrheit genervt von Kollegen, die aus jeder Sache ein Problem machen.

Von guter Führung wird heute immer mehr eine ganzheitliche Fürsorge für die Mitarbeiter erwartet. Ob Beziehungskrisen, kranke Familienangehörige, finanzielle Sorgen oder Krankheiten - für alles sollen Chefin oder Chef ein Ohr und vor allem Verständnis haben. Führungskräfte werden so mehr und mehr zu psychologischen Beratern einiger Mitarbeiter. Aber das ist nicht ihr Job!

Denn Zweck von Führung ist es, das Überleben des Unternehmens zu sichern. Erfolgreiche Führung ist also, dazu einen möglichst großen Beitrag zu leisten. Die Fürsorge für das Privatleben von Mitarbeitern gehört nicht dazu. Auch wenn manche ganzheitlichen Führungsansätze das suggerieren.

Chefs sind nicht für ein umfassendes gutes Lebensgefühl der Mitarbeiter zuständig. Ja, Führungskräfte sollten achtsam sein, klug fragen und gut zuhören können - wenn es um den Job geht. Und jeder gute Vorgesetzte wird echte Sorgen seiner Leute ernst nehmen. Aber ein Chef ist kein Therapeut. Das ist nicht seine Aufgabe. Und dafür ist er nicht ausgebildet.