Die breite Ausbildung eines Geisteswissenschaftler ermöglicht viele Wege. Früh sein Ziel zu finden, halten Experten darum für besonders wichtig.

Was ein typischer Job für Geisteswissenschaftler ist? Frank Wießner lacht. "Typisch ist, dass nichts typisch ist", sagt der Beschäftigungsexperte des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB). In einer Studie hat Wießner die Wege von Geistes-, Kultur- und Sozialwissenschaftlern untersucht: "Sie streuen sehr breit und sind in allen Branchen und Berufen zu finden." Schwerpunkte gibt es trotzdem: Hochschulen, öffentliche Verwaltung, Kultur- und Bildungseinrichtungen, aber auch Bereiche der Privatwirtschaft, wie Werbe- und Marketing-Agenturen oder Beratungsunternehmen.

"Ein guter Teil der Geistes- und Sozialwissenschaftler hat durchaus Interesse daran, in die Wirtschaft zu gehen", sagt Nina Zahm, Personalreferentin der Firma Worksource. "Und die Unternehmen schätzen die Absolventen dieser Fächer. Es sind soziale und kreative Menschen, die gut im Team funktionieren und oft interkulturelle Kompetenz mitbringen."

Die Qualitäten der Geisteswissenschaftler sieht auch Frank Wießner. "Sie haben ein breit angelegtes Studium absolviert, das ihnen Mobilität und Flexibilität ermöglicht, sie können gut organisieren, sich schnell in neue Themenfelder einarbeiten, sind kommunikativ und haben Durchhaltevermögen."

Letzteres müssen sie zwangsläufig entwickeln, denn die Absolventen brauchen im Schnitt länger als Wirtschaftswissenschaftler, Ingenieure oder Juristen, um in der Arbeitswelt Fuß zu fassen. Warum das so ist, kann Wießner noch nicht belegen. "Die Hypothese ist, dass es aufseiten der Unternehmen einige Vorbehalte gegenüber Geisteswissenschaftlern gibt. Also müssen sie besondere Überzeugungsarbeit leisten."

Zum Beispiel mit Argumenten, warum sie gut in einen Vertriebsjob passen. Nina Zahm: "Der Vertrieb lebt von extrovertierten Leuten, die auf andere zugehen können. Und auch mit schwierigen Personen müssen Vertriebler zurechtkommen." Da sieht sie eine Chance für die rhetorisch und kommunikationsstarken Geisteswissenschaftler. Wer das für einen interessanten Weg hält, der sollte schon früh Praktika in der Wirtschaft machen, rät die Personalreferentin. "So können schon Studenten Unternehmen für sich einnehmen."

"Zur Halbzeit des Studiums sollte man sich grob festgelegt haben, ob es Richtung öffentlicher Arbeitgeber oder Privatwirtschaft gehen soll", sagt Frank Wießner, selbst promovierter Sozialwirt. Außer Praxiserfahrung hilft, wenn man sich über seine Ziele klar wird. "Das große Plus der Geisteswissenschaften ist, beruflich das tun zu können, was einen persönlich ganz besonders interessiert", sagt Wießner. Der Preis dafür sei das meist geringere Gehalt in Kultureinrichtungen oder Hochschulen. "Und wirtschaftliche Unsicherheit, denn oft gibt es in diesen Bereichen nur befristete Verträge."

Heike Friedrichsen, Expertin der Vergütungsberatung PersonalMarkt, bestätigt die Gehaltsunterschiede: "Zum Beispiel verdienen Sozialwissenschaftler, die im pädagogischen Bereich arbeiten, im Schnitt knapp 32 000 Euro jährlich. Wer mit ähnlicher Ausbildung in der Personalabteilung eines größeren Unternehmens arbeitet, kommt auf rund 50 000 Euro." Wen Zeitverträge und teils geringe Bezahlung abschrecken, der ist also oft besser in einem Unternehmen aufgehoben. "Abstriche in der Selbstverwirklichung gehören aber meist dazu", sagt Frank Wießner.

Der Erfolg der Geisteswissenschaftler beim Berufseinstieg steht und fällt mit ihrem Talent zum Selbstmarketing. "Ein wichtiger Aspekt ist: Ich muss versuchen, einen roten Faden in meine Biografie einzuweben", sagt Wießner. Dazu gehört auch die gezielte Auswahl von Lehrveranstaltungen (Frage: Nützt mir das Seminar, wenn ich ins Veranstaltungsmanagement will?).

Und noch ein Tipp: Gerade in Fächern, die mehr Absolventen haben, als es klassische Arbeitsplätze gibt, etwa Geschichtswissenschaften, sollte das Thema der Semester- und Abschlussarbeiten aufs Berufsziel ausgerichtet werden. Wießner: "Ich rate davon ab, ein Thema nur zu wählen, weil es mir einfach vorkommt. Wie soll ich das einem künftigen Arbeitgeber erklären?"