Ein Kommentar von Mark Hübner-Weinhold

Loren Wade trifft man an fünf Tagen pro Woche in seinem Wal-Mart-Supermarkt in Winfield, Kansas. Er ist kein Kunde. Er ist der Mann, der weiß, wo alles in den Regalen zu finden ist, und er sorgt für Ordnung. Loren Wade ist 100 Jahre alt. Er arbeitet 30 Stunden pro Woche und wurde offiziell als "America's Oldest Outstanding Worker" ausgezeichnet. Das bedeutet so viel wie "Amerikas ältester Super-Arbeiter".

Loren Wade arbeitete früher bei der Post, als Automechaniker und Teppichverleger. Er diente bei der US-Luftwaffe in Indien und Taiwan. Dann ging er in Rente. Für drei Monate. Das, so sagt er gut drei Jahrzehnte später, sei auch genug Ruhestand gewesen. 1983 startete er seine zweite Karriere und heuerte bei Wal-Mart an. Dort kontrolliert er die Waren, berät Kunden und sitzt an der Kasse. Bis zu drei Meilen lege er am Tag in seinem Supermarkt zurück.

Loren Wade ist kein Einzelfall. Er ist zwar der offiziell älteste Arbeitnehmer, aber viele Senioren in den USA arbeiten, weil ihre Ersparnisse und die karge Rente nicht reichen. Auch in Deutschland warnte vor wenigen Wochen Arbeitsministerin von der Leyen vor wachsender Altersarmut.

Zugleich gehen immer noch viele Arbeitnehmer in den Vorruhestand, freiwillig oder getrieben, weil Unternehmen ihre Belegschaft verjüngen und verkleinern wollen. Die jungen Pensionäre entlasten so zwar das jeweilige Personalbudget. Doch volkswirtschaftlich ist es blanker Unsinn, leistungsfähige Mitarbeiter mit Ende 50 oder Anfang 60 zu Rentnern zu machen.

Schon holen Firmen wie die Hamburger Otto Group wieder Pensionäre zurück, um so Personalengpässe zu überbrücken. Angesichts schon jetzt geburtenschwacher und weiter schrumpfender Jahrgänge werden viele Unternehmen diesem Modell folgen und schnell altersgerechte Arbeitsmodelle entwickeln müssen.

Schließlich ist nicht jeder so aktiv wie Loren Wade. Er fühle sich noch genauso jung wie damals, mit 70 Jahren. Die Arbeit halte ihn beschäftigt und mache ihn glücklich, so wie sein Saxofon, das er seit 79 Jahren spiele. Freude an der Arbeit ist also keine Frage des Alters.