Neue Studie belegt: Erwerbstätige erkennen zunehmend, wie wichtig kontinuierliches Lernen für ihre Arbeit ist. Experten fordern Konzepte.

Fast jeder Zweite fühlt sich unter Druck gesetzt, wenn es um das Thema Weiterbildung im Job geht. Mehr als jeder Zehnte (elf Prozent) fühlt sich sogar sehr häufig oder häufig überfordert, weil sein Arbeitgeber von ihm erwartet, sich stets auf dem neuesten Stand zu halten. 74 Prozent der Befragten rechnen zudem damit, dass in zehn Jahren Fortbildung im Job wichtiger sein wird als heute. Das ergab die Studie "Schöne neue Lernwelt? Berufliche Weiterbildung im Wandel" der Deutschen Universität für Weiterbildung (DUW), zu der bundesweit 1005 Erwerbstätige befragt wurden.

"Lernen ist zu einer stetigen Herausforderung geworden - sowohl im Arbeits- als auch im Privatleben. Technologien wandeln sich in immer kürzeren Abständen. Wissen ist überall und jederzeit abrufbar, veraltet aber auch schneller als früher", sagt Professorin Ada Pellert, Präsidentin der DUW. Die Überforderung vieler Menschen rühre häufig aus dieser Beschleunigung her, verknüpft mit steigenden Anforderungen auf dem Arbeitsmarkt. "Arbeitgeber sollten ihre Mitarbeiter mit dieser Entwicklung nicht allein lassen", sagt Pellert. Gefragt seien gezielte Fortbildungsmaßnahmen, die dem Einzelnen helfen, in der neuen Arbeitswelt zurechtzukommen. In dieser Ausrichtung sei Weiterbildung auch eine Antwort auf die gestiegene Zahl von Burn-out-Fällen.

"Burn-out kann dann auftreten, wenn Mensch und Aufgabe dauerhaft nicht optimal zusammenpassen", sagt Holger Höhr, Leiter des Geschäftsbereichs Bildungs-Service der Handelskammer Hamburg. Seit Jahrzehnten sei, so Höhr, Weiterbildung in annähernd allen Unternehmen ab 20 Mitarbeitern eine Selbstverständlichkeit. Etwas Aufholbedarf bestehe noch bei kleinen und kleinsten Firmen.

Grundsätzlich haben laut Studie die meisten Arbeitnehmer die Bedeutung von Lernen erkannt: 56 Prozent sagen, dass Weiterbildung in ihrem Beruf zwingend erforderlich sei. Weitere 32 Prozent halten Weiterbildung für hilfreich. Je höher der Bildungsabschluss ist, desto größer ist der Stellenwert von Weiterbildung: 66 Prozent der Befragten mit Abitur oder Studium schätzen Fortbildung als zwingend erforderlich ein, bei den Berufstätigen mit Hauptschul- oder mittlerem Abschluss sind es hingegen nur jeweils 44 Prozent.

"Früher war es möglich, ausgelernt zu haben. Der Handwerker wusste durch die Lehre alles, was er für sein Berufsleben brauchte", sagt Dr. Katrin Hille, Psychologin und Forschungsleiterin am Transferzentrum für Neurowissenschaften und Lernen (ZNL). "Das hat sich gründlich geändert: Heute ist es unerlässlich, immer wieder neu zu lernen, um gute Arbeit zu leisten."

Laut Präsidentin Pellert entsprechen die Lern- und Weiterbildungsangebote der Arbeitgeber häufig noch nicht den Anforderungen einer modernen Wissensgesellschaft. "Vor allem der Trend zur Individualisierung wird kaum aufgegriffen. Dabei wird es den Arbeitnehmern immer wichtiger, individuelle, maßgeschneiderte Angebote zu bekommen. Doch bislang dominieren noch Fortbildungen nach dem Gießkannenprinzip. Arbeitnehmer erwarten heute Lernangebote, die zu ihnen passen." Der einzelne Lerner brauche heute ganz andere Kompetenzen im Umgang mit Informationen als noch vor Jahrzehnten, sagt Psychologin Hille. "Das muss nicht schlimm sein. Menschen sind sehr anpassungsfähig."

Geringer Qualifizierte machen durchschnittlich seltener Weiterbildungen als höher Qualifizierte, so Pellert. "Doch auch sie lassen sich mit speziellen Angeboten fürs lebenslange Lernen begeistern. Wichtig sind vor allem kleine Lernschritte, schnelle positive Lernerfahrungen und sichtbare Erfolge, verbunden mit einer wertschätzenden, lernfreundlichen Unternehmenskultur." In der Regel sei betriebliche Weiterbildung eher Forder- als Förderunterricht, betont Holger Höhr. "Weiterbildung kann nicht der Reparaturbetrieb für Versäumnisse aus Schule und Ausbildung sein."

Joachim Siegl, W.H.S.B. Weiterbildung Hamburg, sagt zum Ergebnis der Studie: "Arbeitnehmer sollten sich nicht unter Druck setzen lassen, sondern mit individuellem Tempo lernen. Wichtig ist auch, die eigenen Talente und Fähigkeiten im Beruf voll auszuschöpfen. Dabei können Weiterbildungsangebote unterstützen. Und die Bildungsprämie ist ein gutes Instrument, mit dem Menschen ihre Lern- und Karriereziele schneller erreichen."