Serie: So arbeiten wir morgen (Teil 19)

Der Wettlauf ums Wissen

| Lesedauer: 3 Minuten
Yvonne Scheller

Die wachsende Informationsflut bewältigen: Überlastung oder Herausforderung?

"Wissen ist Macht" wusste schon Francis Bacon, Philosoph und Wegbereiter des Empirismus - nur was ist Wissen? "Wir ertrinken in Informationen und hungern nach Wissen", konstatiert der amerikanische Zukunftsforscher John Naisbitt. Tatsächlich wird die Bewältigung der Informationsflut zu einer immer dringenderen Herausforderung unseres Arbeitsalltags.

Der Publizist und Berater Hermann Sottong hat für seinen Beitrag "Überleben im Information Overload" im Trendbuch "Leben und Arbeiten in der Zukunft - Living at Work" die durchschnittliche Informationsflut von Managern errechnet. Er kommt auf 85 E-Mails täglich und einen Pressespiegel im Umfang von mindestens 20 000 Anschlägen (etwa fünf DIN-A-4-Seiten) pro Tag. Hinzu kommt ein theoretischer Fundus von mehreren Hundert verschiedenen Inhouse-Broschüren, mindestens ein Dutzend Sitzungsprotokolle pro Woche sowie durchschnittlich 4800 Folien und Charts im Jahr. "Nicht zu reden von den Memos, Dossiers, Berichten, Statistiken, Telefonaten, Redebeiträgen", ergänzt Sottong.

Und dann sind da noch die Informationen, die das World Wide Web zu bieten hat. "In Unternehmen führt die Befürchtung, irgendwo da draußen sind noch Informationen, die ich nicht habe, schnell zu Schwierigkeiten bei der Entscheidungsfähigkeit", weiß Gabriele Vollmar, selbstständige Unternehmensberaterin mit Schwerpunkt Wissensmanagement. So gelte es sowohl zu lernen, Entscheidungen selbst bei unsicherer Entscheidungslage zu treffen, als auch generell mit der wachsenden Informationsflut umzugehen. "Nehmen Sie nur aufstrebende Länder wie China und Indien, die als neue Informationsproduzenten bereitstehen. Dazu kommt die fortschreitende technische Entwicklung, die den Zugang vereinfacht."

Andererseits hat die Fülle der Informationen auch ihr Gutes. Sie ist die Basis allen Wissens, und ohne Wissen kein Fortschritt. Der jedoch schreitet immer schneller voran. In der globalen Wirtschaft ist längst eine Art Wettlauf um den entscheidenden Wissensvorsprung entbrannt. Ein Wettlauf, von dem wir ganz besonders betroffen sind. "Insbesondere für Deutschland gilt, dass Wissen die einzige Ressource ist, die in einer rohstoffarmen Nation bereitsteht", erklärt Robert Huber, Nobelpreisträger für Chemie, im Vorwort zu "Wirtschaftsfaktor Wissen" von Michael O.R. Kröher.

Leider hat gerade diese Ressource nur eine kurze Halbwertzeit. "Unternehmen des produzierenden Gewerbes können sich oft nur noch mittels ständiger Innovationen behaupten, denn im internationalen Wettbewerb stellen sich ganz schnell Kopisten ein", weiß Vollmar. So werden die kreativen Köpfe in den Unternehmen zum eigentlichen "Unternehmenswert". Waren früher Grund und Boden, Gebäude, Fuhrpark und Maschinen die Aktiva eines Unternehmens, sind es nun zunehmend die Menschen. "Nehmen Sie Unternehmen wie Microsoft oder Google, die leben vom Wissen ihrer Mitarbeiter. Hier haben wir es mit schwer fassbarem Wissenskapital zu tun." Damit umzugehen falle Unternehmern nicht immer leicht, denn Denkarbeit sei schlicht nicht messbar und führe somit zu einem gewissen Kontrollverlust auf Arbeitgeberseite, erklärt Vollmar. Da könne es sein, dass ein Mitarbeiter einfach dasitzt und in die Luft starrt, "nur heißt das eben keineswegs, dass er seine Zeit verschwendet, sondern vielleicht gerade eine vielversprechende Idee ausbrütet".

So stehen Arbeitgeber vor der ungewohnten Aufgabe, immer mehr Vertrauen in ihre kreativen Köpfe aufbringen zu müssen. Doch es lohnt sich, sagt Vollmar und verspricht: "Wer das begriffen hat und die notwendigen Denkfreiräume und Rahmenbedingungen bietet, hat langfristig die Nase vorn."


Lesen Sie am nächsten Wochenende: Teil 20 - Innovationskultur

Mehr Artikel aus dieser Rubrik gibt's hier: Karriere