Üblich ist Mehrarbeit fast überall. Ob sie ausgeglichen wird, ist eine andere Frage. Aufs Gesetz zu pochen hilft leider nur selten.

Die Gesetzeslage ist klar: Steht im Vertrag nichts zu Überstunden, muss der Arbeitnehmer keine leisten. Es sei denn, es tritt eine Katastrophe ein - die wird im Arbeitsrecht allerdings nicht etwa als drohende Insolvenz verstanden, sondern als Feuer im Bürogebäude oder als Flutwelle, welche die Werkhalle überschwemmt.

Die meisten Verträge beinhalten jedoch eine Überstunden-Pauschalklausel. "Ob die gilt, ist je nach Fall sehr unterschiedlich, ebenso wie die Rechtsprechung", sagt Michael Henn, Vorstandsmitglied des Verbandes deutscher ArbeitsrechtsAnwälte. Ein angestellter Jurist zum Beispiel hatte nach einem Rechtsstreit mit seinem Arbeitgeber die Kanzlei verlassen und auf Bezahlung von mehr als 930 Überstunden geklagt. Er scheiterte vor dem Bundesarbeitsgericht, das urteilte: Mit einem hohen Bruttogehalt sind notwendige Überstunden abgegolten.

+++Mehrarbeit muss nicht immer bezahlt werden+++

Dasselbe Gericht befand jedoch, dass Firmen Niedrigverdienern Mehrarbeit zahlen müssen, wie einem Lagerarbeiter, der in zwei Jahren mehr als 950 Überstunden angehäuft hatte. "Es besteht eine erhebliche Korrelation zwischen der Höhe des Gehalts und der Rechtmäßigkeit von unbezahlten Überstunden", sagt Arbeitsrechtler Henn.

Als Überstunden zählen alle Arbeitsstunden, die über das hinausgehen, was im Vertrag vereinbart und vom Vorgesetzten angeordnet wurde. Grundsätzlich regele das Arbeitszeitgesetz die Obergrenze für die Überstunden, sagt Martina Perreng vom Deutschen Gewerkschaftsbund. Und das besagt, dass die tägliche Arbeitszeit acht Stunden nicht überschreiten darf. In Ausnahmen dürfen es an einem Tag zehn Stunden sein, wenn es innerhalb von sechs Monaten bei durchschnittlich acht Stunden pro Tag bleibt.

+++Familie und Job - so geht das+++

Und es gilt eine Ruhezeit von elf Stunden zwischen Arbeitsende und dem nächsten Beginn. "Doch das ist in vielen Betrieben und Branchen gar nicht einzuhalten, und es kümmert auch keinen", sagt der Hamburger Anwalt Carlos Drescher. Mit dem Verweis auf die Rechtslage kommt ein Arbeitnehmer ohnehin selten weiter, um sich gegen Überstunden zur Wehr zu setzen.

"In der Regel ist es sinnvoll, die Arbeitszeit zu erfassen", sagt Perreng. Passiert das nicht automatisch, kann jeder Arbeitnehmer selbst aufschreiben, wann er wie viele Überstunden macht. "Daraus muss aber auch ersichtlich sein, warum diese Mehrarbeit notwendig geworden ist", sagt Michael Henn. Im Streitfall muss der Arbeitnehmer belegen können, dass er die Zeit nicht vertrödelt hat. Zumal die Klage des Arbeitnehmers meist erst dann kommt, wenn er die Firma verlassen hat.

+++Zufriedenheit der Mitarbeiter ist gestiegen +++

Wer dem vorbeugen will muss die informellen Regeln befolgen. "In manchen Firmen wird nach einer Art Vertrauensarbeitszeit gearbeitet", sagt Anwalt Drescher. Da gebe es stressigere und ruhigere Zeiten, mal arbeite man eine Stunde mehr, mal gehe man eine Stunde früher. Das funktioniere auch ohne vertragliche Festlegung. Perreng: "Solange Überstunden zeitnah ausgeglichen werden und man damit zufrieden ist, besteht keine Notwendigkeit, etwas dagegen zu unternehmen."

Erst wenn es keinen Ausgleich gibt, raten Arbeitsrechtler, den Chef anzusprechen - nicht ohne vorher in den Arbeitsvertrag geschaut zu haben, in dem eben auch eine gewisse Zahl an Überstunden vereinbart sein kann. "Nicht jeder Vorgesetzte bekommt überhaupt mit, was und wie viel jeder einzelne Mitarbeiter leistet", sagt Henn. Auch kann es ratsam sein, mit Kollegen zu sprechen, Solidarität zu entwickeln und den Betriebsrat zu fragen.

Grundsätzlich gibt es keinen einfachen Weg, um sich gegen Überstunden zu wehren. Stellt der Chef auf stur, bleibt nicht viel mehr, als den Konflikt zu provozieren, indem man nach der vereinbarten Zeit Feierabend macht. Das klingt ernüchternd. Und kann auch nur funktionieren, wenn alle in der Abteilung mitziehen.