Die Leserfrage: In unserer Firma bekamen Mitarbeiter bislang bei langer Betriebszugehörigkeit eine Sonderzahlung. Das soll abgeschafft werden. Gilt hier nicht Gewohnheitsrecht?

Das sagt Rechtsanwalt Rainer Stelling: In vielen Unternehmen entwickeln sich im Laufe der Zeit Gewohnheiten des Arbeitgebers, der Belegschaft auch ohne vertragliche Regelung Leistungen zu gewähren. Häufig geht es dabei um Weihnachts- und Urlaubsgeld oder um Sonderprämien zu Dienstjubiläen, manchmal auch um die Gewährung zusätzlicher Urlaubstage, etwa betriebseinheitlich an Heiligabend oder Silvester. Erfolgt dies gleichförmig und wiederholt es sich, spricht man von einer "betrieblichen Übung", die den Arbeitgeber wie eine ausdrückliche vertragliche Regelung bindet.

Eine wiederholte Leistungsgewährung führt aber nur dann zur betrieblichen Übung, wenn die Beschäftigten aus dem Verhalten des Arbeitgebers schließen durften, ihnen werde die Leistung auch künftig gewährt. Eine Faustregel, wann dies der Fall ist, gibt es nicht. Nur für jährliche Sonderzahlungen gilt der Grundsatz, dass ein Anspruch darauf erworben wird, wenn diese in drei aufeinander folgenden Jahren vorbehaltlos und in gleicher Höhe erfolgt. Verändert sich aber die Höhe oder teilt der Arbeitgeber bereits im Arbeitsvertrag oder bei jeder Leistung mit, dass die Leistung "ohne Anerkennung einer Rechtspflicht" erfolgt, entsteht keine betriebliche Übung.

Ist sie jedoch einmal da, kann sich der Arbeitgeber seiner Leistungsverpflichtung nicht durch Untätigkeit entziehen. Er muss durch eine betriebsbedingte Änderungskündigung oder durch eine Betriebsvereinbarung die Leistungsgewährung für die Zukunft abschaffen. Anderenfalls könnte ein Arbeitnehmer, der zum Beispiel sein Dienstjubiläum feiert, die bislang gewährte Sonderzahlung sogar einklagen.

Unser Autor Dr. Rainer Stelling ist Fachanwalt für Arbeitsrecht in Hamburg. www.rae-gleim.de