Ein Kommentar von Mark Hübner-Weinhold

Im Oktober 1957 starteten die Sowjets den ersten "Sputnik" ins All. Das Weltraumzeitalter hatte begonnen. Zwar schickten die Amerikaner einige Monate später ebenfalls einen Satelliten in den Weltraum, doch war der sowjetische Vorsprung lange Zeit nicht einzuholen. "Wie war es möglich, dass die Sowjets die Amerikaner schlugen?", wurde der Leiter der US-Raketenforschung, Wernher von Braun, gefragt. "Bei der Eroberung des Weltraums", antwortete er, "sind zwei Probleme zu lösen: die Schwerkraft und der Papierkrieg. Mit der Schwerkraft wären wir fertig geworden ..."

So ähnlich geht es oft engagierten Mitarbeitern, die in großen Unternehmen kreative Lösungen schnell umsetzen wollen. Ihre Begeisterung wird von den trägen Mühlen der Bürokratie zermahlen. Je größer eine Organisation wird, desto stärker neigt sie dazu, sich vor allem mit sich selbst zu beschäftigen.

Viele Faktoren sorgen dafür, dass aus der Idee kreativer Kooperation nervtötender Bürokratismus wird: starres Silodenken in den unterschiedlichen Abteilungen, auf Prämien und Kennzahlen fixierte Manager, geografische Distanz durch mehrere Standorte, eine ausufernde Absicherungsmentalität durch große E-Mail-Verteiler, entscheidungsschwache Führungskräfte und zunehmend komplexe rechtliche Vorgaben. In diesem zähen Sumpf des organisierten Mittelmaßes stören unangepasste Leute nur, Mitarbeiter, die sich nicht um Hierarchien und Vorschriften kümmern - Kunden übrigens auch.

Bürokratische Strukturen sorgen für die berüchtigte Schere im Kopf, weil sie von vornherein Denkverbote erzeugen und neue Ideen ausgrenzen. Dabei sind in der mobilen, schnellen und komplexen Welt innovative, ungewöhnliche Lösungen gefragt. Das Unternehmen der Zukunft ist unbürokratisch, agil und innovativ. Es reicht nicht mehr, den Kunden nur zufriedenzustellen. Nachhaltig Erfolg wird haben, wer den Kunden erfolgreich macht. Dafür braucht es keine aufgeblasene Organisationsstruktur.

Schon der vor 272 Jahren geborene holsteinische Dichter Matthias Claudius notierte: "Was mit Wenigem getan werden kann, muss nicht mit Vielem getan werden."