Wer glaubt, keine Zeit zu haben, sollte erst seine Selbstorganisation und sein Zeitmanagement überprüfen, sagt Coach Frank Helmer.

Zeitfresser vermeiden, produktive Phasen nutzen, sich nicht von E-Mails terrorisieren lassen - das rät Personalentwickler Frank Helmer.

Hamburger Abendblatt:

Viele Menschen klagen über Stress im Job. Was tut man, wenn man sich nur noch gehetzt fühlt?

Frank Helmer:

Es ist ein Mix vieler Faktoren. Dazu zählt zum Beispiel die Schlüsselqualifikation Selbstmanagement. Dabei geht es nicht nur darum, organisieren oder eine To-do-Liste schreiben zu können. Dazu gehört es auch, Nein zu sagen - sogar dem Chef gegenüber.

Wie lernt man es denn, Nein zu sagen?

Helmer:

Das kommt darauf an, welche Motivation hinter dem Unvermögen steckt. Das kann die Angst vor Konsequenzen bis zum Jobverlust sein. Oder man möchte akzeptiert werden. Einige haben Angst, etwas zu versäumen, oder genießen das Gefühl, gebraucht zu werden. Generell wäre ein guter Einstieg ins Nein sagen, sich mit dem eigenen Selbstwertgefühl auseinanderzusetzen.

Was bedeutet es eigentlich, wenn jemand sagt, er habe überhaupt keine Zeit?

Helmer:

Das ist der Ausdruck des Gefühls, seine eigene Zeitsouveränität verloren zu haben. Viele Menschen, die das sagen, haben sehr wohl Zeit - nur für etwas anderes.

Wenn man sich gestresst fühlt, sollte man also erst einmal gucken, was bei der Selbstorganisation im Argen liegt?

Helmer:

Definitiv, das ist das Erste. Ich will nicht sagen, dass jeder, der ein Erschöpfungssyndrom hat, schlecht organisiert ist. Aber wenn man das Gefühl hat, der Akku lässt langsam nach, dann ist es notwendig, sich zu fragen: Liegt das auch daran, dass ich einfach schlecht geplant habe? Verfolge ich meine Ziele überhaupt noch?

Wenn man angestellt ist, sind es ja kaum einmal eigene Ziele oder Prioritäten.

Helmer:

Aber man legt die Ziele meist in der Zielvereinbarung mit Vorgesetzten fest. Wer selbstbewusst ist und weiß, was er kann, lässt sich keine Ziele vorgeben, die er nicht erreichen kann.

Was sind Zeitfresser im Job?

Helmer:

Im Büro ist es natürlich die E-Mail. Wir alle haben gelernt, sofort in den Posteingang zu schauen, wenn eine neue Nachricht ankommt. Besser wäre es, sich feste Zeiten für die Kontrolle der E-Mails einzurichten. Ein anderer klassischer Zeitfresser - das hört niemand gern, stimmt aber - ist die Zigarettenpause. Wenn man mit Kollegen zusammen vor die Tür geht, werden es schnell sieben, acht Minuten. Wenn man dann einmal in der Stunde zum Rauchen geht, sind wir schon bei 50, 60 Minuten. Die Zeit fehlt am Ende.

In jedem Büro gibt es Kollegen, die eigentlich nicht mehr zu tun haben als man selbst, aber immer total geschäftig länger bleiben. Muss man da ein schlechtes Gewissen haben?

Helmer:

Absolut nicht. Das hat wenig mit der Menge an Arbeit zu tun. Es geht darum, Kollegen und dem Chef zu zeigen: Ich bin noch da! In Deutschland gilt der als besonders fleißig, der lange im Büro sitzt.

Wie grenzt man sich gegenüber so einem Kollegen ab?

Helmer:

Königsweg ist die Kommunikation. Einfach mal den Kollegen fragen: Warum machst du länger? Kann ich dir helfen, damit du auch mal pünktlich rauskommst? Die Deutschen neigen dazu, zu denken: Weil ich früher gehe, mache ich etwas falsch. Unsinn, davon muss man sich losmachen. Aber ich gebe zu - es ist eine Kunst, selbstbewusst zu sagen: Lieber Kollege, schade, dass du noch dableiben musst, aber ich bin durch. Schönen Feierabend.

Welche Zeitspar-Tipps geben Sie?

Helmer:

Als Erstes muss ich überprüfen, ob ich die richtigen Prioritäten gesetzt habe. Und ich sollte mich fragen, ob ich das, was ich tue, zielgerichtet und planerisch angehe. Komme ich montags ins Büro und fange einfach an? Oder setze ich mich erst mal kurz hin und organisiere meine Woche? Daneben sollte man seinen Biorhythmus nutzen. Jeder von uns hat so eine goldene Stunde - die Tageszeit, in der er am produktivsten ist. Außerdem wäre es ideal, Vorgänge abzuschließen und nicht endlos auf Wiedervorlage zu legen. Wenn Sie es schaffen, ein Papier nur einmal anzufassen, haben Sie schon ein sehr gutes Zeitmanagement. Es gibt ein Potpourri an Möglichkeiten: Ruhe schaffen, wenn man sie braucht, zum Beispiel. Das heißt: Die Bürotür ist dann geschlossen, das Telefon auf Weiterleitung gestellt.

Glauben Sie jemandem, der sagt, er habe einfach keine Zeit für Sport?

Helmer:

Keine Zeit zu haben heißt ja, ich habe andere Prioritäten. Dann darf man sich aber auch nicht über mangelnde Fitness beschweren.