Fachleute geben Entwarnung. Doch Initiativen für faires Arbeiten beklagen weiter Missachtung von Berufseinsteigern.

Hamburg. Stefan R. studiert im vierten Semester BWL im Gesundheitswesen. Zurzeit arbeitet er in einem Praxisprojekt im Krankenhaus. Er brauchte mehr Anleitung, bis er voll mitarbeiten konnte. Doch trotzdem spart der öffentliche Träger, wenn er Stefan R. einsetzt. Denn Stefan ist noch kein Experte mit jahrelanger Erfahrung, der gut bezahlt werden muss. Immerhin erhält er eine Aufwandsentschädigung. Und die Arbeit gefällt ihm. Er hat es also gut getroffen.

Das Bild vom ausgebeuteten Praktikanten hält sich dennoch hartnäckig. Aber auch Julian Trautmann kann nichts Schlechtes berichten. Nach seinem Bachelor-Abschluss in Bauingenieurwesen wurde er Praktikant bei einer kleinen Firma. "Ich habe mir die Stelle gezielt ausgesucht und wollte keine Nummer in einem riesigen Unternehmen sein." Bei seinem sechsmonatigen, bezahlten Praktikum habe er einen tollen Einblick in die Praxis bekommen. Nach dem Feedback-Gespräch zum Ende des Praktikums wurde ihm eine feste Stelle angeboten. Julian schätzt sich sehr glücklich. Allerdings sagt er auch: "Mein Fall kommt nicht so oft vor."

"Die sogenannte Generation Praktikum ist ein Mythos", sagt dagegen Lukas große Klönne von der Jobbörse Absolventa, die auf Berufseinsteiger spezialisiert ist. "Untersuchungen der Hochschul Informations System GmbH haben ergeben, dass mittel- und langfristig fast ausnahmslos alle Hochschulabsolventen einen Job finden." Und das sei sogar unabhängig davon, in was für einer konjunkturellen Phase sich die Wirtschaft befände. "Es ist nur ein verschwindend geringer Teil, der länger als ein halbes Jahr im Praktikum steckt", sagt große Klönne. Seiner Meinung nach ist das Bild vom ausgebeuteten Praktikanten durch die Medien entstanden: Gerade dort sei der Berufseinstieg ja oft schwierig. "So entwickelt sich bei Journalisten ein verzerrter Eindruck." BWLer und Ingenieure würden beim Berufseinstieg wesentlich weniger Praktika machen als Geisteswissenschaftler. "Sie haben viel häufiger die Chance auf einen Direkteinstieg in Unternehmen." In puncto Bezahlung gibt große Klönne auch Entwarnung: "Wenn unbezahlt, dann sind es vor allem die Praktika für Studenten." Absolventen würden für ihren Einsatz in der Regel entlohnt. Wie hoch - das sei dann eine andere Sache. Manchmal gibt es nur 200 Euro Aufwandsentschädigung. "Ebay wiederum zahlt seinen Praktikanten 1000 Euro."

Dr. Achim Baum mag auch nicht von einem Massenphänomen sprechen, wenn Praktikanten von üblen Erfahrungen erzählen. Der Professor für Kommunikationsmanagement ist Praktikumsbeauftragter der FH Osnabrück. Unternehmen böten für Absolventen sogar vermehrt Trainee-Stellen an, in denen sie einen Einblick in die Berufspraxis bekommen und für ihre Leistung angemessen bezahlt würden.

Susanne Schneider, Vorstandsmitglied der Initiative fairwork e.V., dagegen findet, dass sich für Praktikanten in den vergangenen Jahren nicht viel verbessert habe. Junge Akademiker würden noch immer als Vollzeitarbeitskräfte eingesetzt und nicht angemessen vergütet. Unternehmen seien lediglich bei der Formulierung ihrer Ausschreibungen vorsichtiger geworden. Als Erfolg verzeichnet fairwork e.V aber seine Aufklärungsarbeit: "Das Selbstbewusstsein der Absolventen ist gestiegen. Sie lassen sich nicht mehr so viel gefallen und lehnen dreiste Angebote auch mal ab."

Fairwork hatte 2006 sogar eine Petition im Bundestag eingereicht, um gesetzliche Regeln für Mindeststandards im Praktikum festschreiben zu lassen. Aber sie ist gescheitert. Professor Achim Baum steht einer gesetzlichen Regulierung allerdings auch kritisch gegenüber. Er plädiert für freiwillige Selbstverpflichtungen der Unternehmen. 2004 hat der Professor zusammen mit Studenten die Initiative "Deklaration Praktikum" ins Leben gerufen. Unternehmen unterschrieben die Vereinbarung und einigten sich mit der Hochschule auf faire Praktikumsbedingungen.

Ebenfalls 2004 ist die Initiative FairCompany gegründet worden. Unternehmen, die sich nachweisbar an die fünf Regeln für faire Praktikumsverhältnisse halten, werden mit einem Gütesiegel ausgezeichnet. Bisher nutzen 1400 Betriebe diese Möglichkeit, die Beschwerden seien deutlich zurückgegangen, sagt Carola Sonnet von FairCompany.

Caren Krüger von Hamburg Wasser befürwortet diese Initiative. "Als Mitglied möchte man ein Zeichen dagegen setzen, Praktikanten mit einer eventuellen Festanstellung zu ködern und am Ende als billige Arbeitskräfte zu verheizen." Nach ihrem Eindruck sind es nur wenige schwarze Schafe, die ihre Praktikanten ausnutzen. Viele Unternehmen würden versuchen, eine gute Situation für sie zu schaffen.

Detlef Olschewski, Geschäftsführer der Cleopa GmbH in Berlin, will mit dem Siegel motivierte Mitarbeiter gewinnen und signalisieren, ein guter Praktikumsgeber zu sein. "Es nützt nichts, wenn ich meinem Praktikanten nur 100 Euro zahle und er nach der zweiten Woche nicht mehr richtig arbeitsfähig ist. Ein Praktikant ist ein Mensch und Mitarbeiter. Eine angemessene Vergütung steht außer Frage!"

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