Top im Job: Wer als Chef wissen will, wie er auf andere wirkt, muss sich erst einmal selbst verstehen

Ob jemand eine gute Führungskraft abgibt, ist zuerst einmal eine Frage der Haltung, findet Petra Carlsen, Inhaberin der Personal- und Karriereberatung changemanufaktur in Hamburg. "Im Idealfall ist diese Haltung geprägt von Selbstvertrauen und vom Vertrauen in die Mitarbeiter." Sicher habe eine Führungskraft immer auch eine Rolle auszufüllen. "Aber man darf nicht nur irgendeine Rolle spielen. Sie muss in den eigenen Werten verankert sein."

Was die eigenen Werte sind, müssen sich die meisten erst einmal überlegen. Carlsen: "Als Trainerin sage ich meinen Klienten immer: Ihr müsst euch selbst kennen, um zu wissen, wie ihr auf andere wirkt." Denn nur wer weiß, nach welchen Handlungsmustern er in bestimmten Situationen reagiert, etwa unter Stress, ist auch in Krisensituationen souverän genug, um auf seine Mitarbeiter einzugehen. "Seine innere Landkarte kennen", nennt Business-Coach Carlsen das. "Das hat viel mit Selbstbewusstsein zu tun. Wer um seine eigenen Stärken und Schwächen weiß und sie akzeptiert, wirkt authentisch."

Eine gute Führungskraft hat aber nicht nur den Überblick über die eigene innere Landkarte: "Ich muss auch die Werte meiner Mitarbeiter kennen - und akzeptieren, dass sie sich von meinen eventuell unterscheiden." Größter Fehler, den Führungskräfte machen könnten, sei, ihre eigene Landkarte auf den anderen zu projizieren. "Man muss sich bewusst machen, dass man ganz unterschiedliche Menschen vor sich hat, die auch ganz unterschiedlich motiviert werden wollen." Diese Klaviatur sollte eine Führungskraft beherrschen. "Aber dabei immer auf der Basis ihrer eigenen Werte bleiben", mahnt Carlsen.

Wer Lebenserfahrung und eine starke Persönlichkeit mitbringt, ist klar im Vorteil. "Derjenige kann sich auf Augenhöhe mit seinen Mitarbeitern unterhalten und Fragen stellen." Das Fragen ist Petra Carlsen enorm wichtig: "Gerade wenn etwas schiefgelaufen ist", sagt sie. "Warum hast dich so entschieden? Was hast du dir dabei gedacht? Aber das darf nicht als Moralpredigt rüberkommen."

Doch bei allem Verständnis für die Bedürfnisse der Mitarbeiter: Gemocht werden zu wollen sei für Führungskräfte ein falscher Ansatz, sagt die Karriereberaterin, die selbst jahrelang Erfahrungen als Vorgesetzte gesammelt hat. "Schließlich muss ich auch unangenehme Unternehmensentscheidungen gegenüber meinen Mitarbeitern verkaufen." Eine gute Führungskraft sei nicht unbedingt immer eine beliebte Führungskraft, sagt sie. Die Anerkennung der Mitarbeiter könne man aber trotzdem gewinnen: "Und zwar wenn ich klar und transparent in meinen Aussagen bin", sagt Carlsen. "Wer Entscheidungen erklärt, gewinnt Vertrauen."

Wie sie wirken, bekommen Führungskräfte allerdings nur selten ehrlich gespiegelt. "Darum empfehle ich ihnen, sich zu vernetzen", sagt Petra Carlsen. "Und zwar mit Leuten, denen sie vertrauen." Von denen könne man sich dann auch ein Feedback holen.

Die beste Rückmeldung allerdings gebe eine Kamera: "Wenn man sich selbst im Gespräch sieht und hört, Mimik, Körperhaltung, dann erkennt man deutlich, wie man auf andere wirkt." So mancher erlebe einen Aha-Effekt: "So wirke ich? Das wollte ich gar nicht!" Dann könne man sich damit auseinandersetzen, warum das so ist, sagt Carlsen. Häufig seien es alte Muster, zum Beispiel aus der Jugendzeit, die auch den Erwachsenen noch prägen. "Ziel jeder Führungskraft sollte sein, ihren blinden Fleck immer kleiner zu machen", sagt Karriere-Coach Carlsen. "Denn man lernt nie aus, was die eigene Persönlichkeit angeht."