Ein Kommentar von Mark Hübner-Weinhold

Die Szene könnte aus einer Hollywood-Komödie stammen: Der genervte Flugbegleiter Steven Slater beschimpfte Passagiere des Fluges 1052 der Airline JetBlue, griff sich Dosenbier vom Servicewagen, aktivierte die Notrutsche und verschaffte sich mit den Worten "Das war's" einen spektakulären Abgang auf dem New Yorker Flugplatz JFK.

Slater wurde zu 10 000 Dollar Geldstrafe und einer Psychotherapie verurteilt. Aber er war für einige Tage der Held vieler Amerikaner. Eine Welle der Sympathie schwappte dem 39-Jährigen aus den sozialen Netzwerken im Internet entgegen.

Die Menschen zeigten Verständnis für jemanden, der täglich die gleichen Rituale abspulen und seine Gefühle hinter der Maske professioneller Freundlichkeit verbergen muss, dessen Arbeit kaum wertgeschätzt wird und der, wie Studien belegen, mit zunehmend aggressiveren Fluggästen konfrontiert ist.

Zugleich äußert sich in den Beifallsbekundungen eine Sehnsucht nach der eigenen Notrutsche. "Wie komme ich raus aus der Tretmühle, aus der eintönigen Routine meines Jobs?" Viele von uns haben ihre persönliche Ausstiegsfantasie, träumen etwa vom Lottogewinn, der ihnen ein neues, hoffentlich besseres Leben bescheren soll.

Meist ist der Wunsch, ein neues Leben anzufangen, an die Bedingung finanzieller Sicherheit geknüpft. Doch genau in der Hoffnung auf plötzlichen Reichtum liegt der Geburtsfehler eines erfüllten Neubeginns. Denn das Glücksempfinden von Menschen sei mit den getrennten Systemen von Belohnung und Belohnungserwartung verbunden, erläutert der Bremer Hirnforscher Gerhard Roth. Hirnphysiologisch sei Vorfreude tatsächlich die schönste Freude. Die Erfüllung mache dagegen nur glücklich, wenn sie unerwartet und verdient sei - andernfalls werde sie nämlich nicht als Belohnung empfunden.

Das könnte erklären, warum ein Lottogewinn oft nicht glücklicher macht. Viel wichtiger für unser Wohlbefinden ist, dass wir in unserer Arbeit selbst einen Sinn sehen. Ansonsten hilft die Notrutsche - aber nur dann, wenn wir ein klares Ziel haben, das uns neuen Lebenssinn gibt.