Gründungscoach Jo B. Nolte über erste Schritte in die Selbstständigkeit und wann man die Notbremse ziehen sollte, um die Kurve zu kriegen.

Jo B. Nolte unterstützt Existenzgründer beim Start. Was rät sie angehenden Selbstständigen?

Hamburger Abendblatt:

Wenn jemand gründen will - was sollte er unbedingt mitbringen, was kann er lernen?

Jo B. Nolte:

Was man sicherlich mitbringen sollte, ist Begeisterung für die eigene Geschäftsidee. Die muss man transportieren können, um Kunden vom Produkt oder von der Dienstleistung zu überzeugen. Gründer sollten sich auch selbst motivieren können: Sie haben nun mal keinen Chef, der sie antreibt, damit das Projekt weiterläuft. Auch muss man bereit sein, ein gewisses Risiko zu tragen, Entscheidungen zu treffen und mit den Konsequenzen leben zu können. Nicht jede Kundenakquise gelingt, deshalb braucht man eine gewisse Frustrationstoleranz. Gründer können an sich arbeiten, wenn sie wissen, wo ihre Stärken und Schwächen liegen. Manchmal hilft dabei ein Coach.

Sind Teamgründungen sinnvoll?

Nolte:

Nicht unbedingt. Oft tun sich Menschen zusammen, die sich ähnlich sind. Zwei Designerinnen möchten ein Label gründen: Das ist sehr schön, weil sie auf der gleichen Wellenlänge sind. Aber sie ergänzen sich tendenziell nicht.

Wenn die Idee gut ist, was sind die ersten Schritte?

Nolte:

Ich schicke Gründer gern raus auf die Straße oder ans Telefon, damit sie testen, ob ihr Konzept trägt. Sie befragen potenzielle Kunden, ob diese ihr Produkt annehmen würden. Und wenn ja - wie oft, zu welchem Preis. Oft arbeiten Unternehmen ja schon mit einem Dienstleister zusammen. Und da ist es wichtig, zu wissen: Wie könnte ich eine Firma dazu bewegen, zu mir zu wechseln? Diese Markterkundung gibt immens viel Aufschluss; weil man Rückmeldungen bekommt - ob die Idee gut ist oder ob man es besser bleiben lässt. Es ist besser, diese Klatsche am Anfang zu bekommen, dann kann man nachjustieren - etwa bei einem Firmennamen, den keiner versteht. Wenn jemand eine Woche lang telefoniert und an seine Kundschaft nicht rankommt, ist es ein klarer Indikator dafür, dass er mit dieser Idee auch später bei der Akquise Probleme haben wird.

Einige Gründer leben jahrelang von Ersparnissen. An welchem Punkt sollte man sein Konzept überdenken?

Nolte:

Manche können zwei, drei Jahre von ihren Ersparnissen leben, andere haben gar kein Polster. Das ist zwar eine unglückliche Startvoraussetzung, aber unter Umständen kann auch so jemand mit einer Idee durchstarten, weil er vielleicht von Anfang an Umsätze einfährt oder das erste halbe Jahr noch einen Nebenjob hat. Dem einen wird bei 10 000 Euro Schulden schlecht, wenn es nicht so anläuft wie geplant, der andere würde vielleicht bei 100 000 Euro sagen, ich krieg die Kurve nicht. Der Markteintritt muss ein Stück weit planbar sein und deshalb macht es auch für ein Kleinstunternehmen Sinn, einen Businessplan zu erstellen.

Ohne geht es nicht?

Nolte:

Als Gründer schreibe ich einen Businessplan nicht nur, um eine Bank oder die Agentur für Arbeit zufriedenzustellen, sondern auch für mich als Planungstool. Um dann, wenn ich in den Markt eintrete, zu sehen, wo ich im Vergleich zu meiner Planung stehe. Wenn ich deutlich unter meinen Zielsetzungen liege, kann ich auf meinen Plan zurückgreifen und Maßnahmen ergreifen, um wieder an mehr Aufträge und Kunden zu kommen. Oft ist es so, dass in Krisenzeiten eine innere Lähmung eintritt und Gründer einfach nur in ihrem Laden sitzen und warten, dass Kunden kommen. Sie verharren in dem Glauben, dass sie ja einmal eine Werbeaktion gemacht haben und alle wissen, dass es sie gibt. Also fallen sie in eine Art Dornröschenschlaf. Wenn ich keine Ideen mehr habe und die Liquidität zur Neige geht - spätestens dann sollte ich die Bude dichtmachen. Bevor ich mich gar nicht mehr bewegen kann.

Es gibt in der Internet-Szene Leute, die eine Firma nach der anderen gründen. Wie geht das?

Nolte:

Manche von ihnen haben schlichtweg eine andere Ausgangssituation. Sie starten mit ordentlich Geld im Gepäck oder mit Venture Capital. Auch wenn jemand gute Kontakte hat, kann das ein immenser Push nach vorne sein. Andere haben nicht mal das als Startvoraussetzung, sondern einfach eine geniale Idee. Und dann kommt noch das Quäntchen Glück hinzu - dass sie im richtigen Moment den Richtigen treffen, der irgendwo eine Tür für sie aufstößt und das Geld ins Rollen bringt. Ich glaube, dass die Persönlichkeit in Passung mit der Geschäftsidee immer eine wesentliche Rolle spielt. Ein weiterer Erfolgsfaktor ist der richtige Zeitpunkt zur Verwirklichung der Vision - vorausgesetzt, ich habe eine.