Wenn ein Mentor eine junge Führungskraft berät, erleben beide einen Motivationsschub. Wichtig ist nur das richtige “Matching“.

An einem Ecktisch im Restaurant sitzen ein Herr mittleren Alters und eine junge Frau vor Kaffee und Mineralwasser. Es sind Fritz Binda, Kontrakt-Manager bei Atos und Stefanie Liebig, Gruppenleiterin Kunden- und Vertriebsservice bei der Ergo-Versicherung. Über zwei Stunden diskutiert der Senior-Manager mit der jungen Führungskraft, wie sie einen zwischenmenschlichen Konflikt in ihrem 18-köpfigen Team in den Griff bekommt. Binda war im Rahmen eines Mentoringprogramms seines Unternehmens Berater von Stefanie Liebig. Auch nach dem Ende der offiziellen Zusammenarbeit steht er seinem Schützling bei beruflichen Fragen zur Seite.

Mentoringprogramme beflügeln Karrieren. Das belegen Langzeit-Beobachtungen von Unternehmen, die ihre Nachwuchskräfte für ein Programm unter Regie eines externen Dienstleisters wie Kontor 5 oder Rubicon anmelden. Die Studie einer Großbank belegt: Gut 60 Prozent der Top-Führungskräfte in der Bank waren einmal Mentees, nur 20 Prozent stammen aus der Gruppe ohne diese Förderung.

Mentoring ist eine Win-win-Situation: Während sich der Mentee mithilfe einer erfahrenen Führungskraft fachlich und persönlich entwickelt, ziehen Mentoren große Befriedigung aus ihrer Rolle als Sparringspartner. "Es ist schön zu sehen, wie die eigene Erfahrung einem jungen Menschen konkret helfen kann", sagt Dr. Mathias Fröck, Leiter der Personalabteilung der Techniker Krankenkasse. "Die Unternehmen profitieren oft schon während des Programms von einer produktiveren Führungskraft, weil die ihre Aufgaben gefestigter, motivierter und zielstrebiger angeht", sagt Gabriele Hoffmeister-Schönfelder von Kontor 5.

Mentoring folgt einem festen Ablauf. Die Unternehmen geben dem externen Dienstleister eine Liste der Mentees eines Jahrgangs, für die sie einen geeigneten Mentor suchen. Meist sind die Kandidaten - oft Trainees - bereits im Assessment-Center positiv aufgefallen oder haben sich in ihrer Abteilung für höhere Aufgaben empfohlen.

Der Erfolg eines Mentoring-Programms hängt vor allem von dem richtigen "Matching" ab, sprich, der passenden Kombination von Mentee und Mentor. Sowohl Hoffmeister-Schönfelder als auch Ute Gonser von der Firma Rubicon befragen die Mentees eingehend nach Zielen, Stärken und Schwächen. In ihrer Mentoren-Datenbank suchen sie anschließend einen Mentor, dessen Biografie und Erfahrung zu den jeweiligen Anforderungen passt.

Beim Matching setzen die meisten Unternehmen mittlerweile auf das Cross-Mentoring, bei dem die Mentoren aus anderen Unternehmen statt aus den eigenen Reihen kommen. Die Distanz zum eigenen Betrieb erlaubt dem Mentee mehr Offenheit. "Bei Schilderungen von sensiblen Sachverhalten oder Konflikten mit Vorgesetzten braucht der Mentee keine Bedenken zu haben, dass der Mentor Rückschlüsse auf bestimmte Personen ziehen könnte", sagt Silvia Richter, Mentorin und Managerin des Pharma-Unternehmens Cellpharm. Für alle gilt außerdem die Schweigepflicht über Interna aus anderen Firmen.

Auch Karin Sierks, Managerin der Strabag AG und Berit Strehle, Abteilungsleiterin der Commerzbank, wurden ein Tandem. Strehle, ehemalige Mitarbeiterin der Dresdner Bank, wurde nach der Fusion mit der Commerzbank eine Führungsebene tiefer angesiedelt. Das Programm sollte sie befähigen, sich in der für sie fremden Firmenkultur zurechtzufinden und ihren weiteren Aufstieg aus eigener Kraft voranzutreiben. "Ich hatte plötzlich kein Netzwerk mehr und brauchte einen Sparringspartner, um mich und meine Ziele neu zu definieren."

Oft sind Mentoren gefragt, wenn es um die Strukturierung komplexer Aufgaben geht - wie bei Stefanie Liebig. Die Spezialistin für das Kompositgeschäft bei der Ergo-Versicherung stand vor einem Jahr davor, mehrere Teams mit unterschiedlichen Aufgaben parallel führen zu müssen. Sie habe jemanden gebraucht, der ihr half, in diese Aufgabe hineinzuwachsen. Mit Fritz Binda zerlegte sie die komplexe Situation in überschaubare Aufgaben. "Ein Projekt war es, geänderte Anforderungen an die Mitarbeiter, die durch eine umfangreiche Umstrukturierung erforderlich wurden, umzusetzen und Schwierigkeiten durch klärende Gespräche zu lösen", sagt Liebig. Da hätte ihr Mentor aus seiner Erfahrung wertvolle Tipps für eine überlegte Vorgehensweise geben können.

Für Jan Behnke, Teamleiter bei der Provinzial-Versicherung, kam es vor allem darauf an, schwierige Gesprächssituationen mit seinem Vorgesetzten zu meistern. Mit seinem Mentor Dirk Butschek, Mitglied der Geschäftsführung der Commerzbank in Lübeck, spielte er mit verteilten Rollen ein bevorstehendes Mitarbeitergespräch durch. "Das gab mir die nötige Sicherheit", sagt er.

Viele Tandems fahren auch nach Ende des Programms weiter. Hoffmeister-Schönfelder: "Wer an die Kraft von Netzwerken glaubt, legt mit einem Mentoring-Programm einen der wichtigsten Grundsteine für die Karriere."