Wer im Gespräch sein Ziel erreichen will, sollte sich gut vorbereiten und eine Win-win-Strategie anwenden. Wie erklärt Katja Wonerow.

Bevor man in den verbalen Clinch geht, sollte man seinen Gegner und das eigene Ziel kennen, sagt Diplom-Psychologin Katja Wonerow.

Hamburger Abendblatt:

Im Job müssen wir ständig verhandeln - ums Gehalt, darum, wer wann Urlaub nehmen darf ... Wie viel Gesprächstechnik, wie viel Menschenkenntnis ist dafür nötig?

Katja Wonerow:

Verhandlungs- und Gesprächstechniken zu kennen hilft ungemein, aber erst einmal ist Vorbereitung wichtig. In der Verhandlung selbst geht es dann um Menschenkenntnis. Etwa 50 Prozent der erfolglosen Verhandlungen scheitern an Emotionen und Beziehungsstörungen, nur knapp zehn Prozent an der Verhandlungstechnik.

Wie bereitet man sich gut vor?

Wonerow:

Man macht sich klar, was das eigene Ziel ist. Das bedeutet jedoch nicht, dass man seine Position verfestigt - etwa, indem man schon vor einer Kaufverhandlung festlegt, welchen Preis man als den absolut niedrigsten ansieht. Das widerspräche dem Prinzip des guten Verhandelns, das besagt, dass beide Partner nach einer gemeinsamen Lösung suchen. Wenn ich mich auf meine vorgefertigte Position zurückziehe, geht es nur noch ums Gewinnen und Verlieren. Aber das sollte beim Verhandeln nicht im Mittelpunkt stehen. Folgt man dem Harvard-Konzept, einer Verhandlungstechnik, die darauf ausgerichtet ist, eine konstruktive Einigung in Konflikten zu erzielen, ist es wichtig, Win-win-Situationen herzustellen.

Wie verhandelt man speziell um Gehalt?

Wonerow

: Ich muss wissen - wie stehe ich am Markt da? Was wird in meiner Branche gezahlt? Was sind meine Qualitäten? Ich muss so argumentieren, dass der andere meine Interessen dahinter erkennt und die Möglichkeit hat, sich darauf einzulassen. Wenn ich sage, ich möchte 500 Euro mehr Gehalt, ist es gut, wenn mein Chef versteht, dass ich das Geld nötig habe, weil ein Familienmitglied zum Pflegefall wurde. Oder dass ich 500 Euro mehr möchte, weil ich finde, dass meine Arbeit mehr wertgeschätzt werden sollte. Wenn deutlich wird, welches Interesse bei mir dahintersteckt, kann mein Chef, auch wenn er finanziell keinen Spielraum hat, mir entgegenkommen - etwa mit flexiblen Arbeitszeiten oder mehr Eigenständigkeit. So kann man sich vielleicht einem gemeinsamen Ziel nähern.

Sollte man vor einer Verhandlung Wissen über den "Gegner" sammeln?

Wonerow:

Auf jeden Fall - wenn das möglich ist. Dann kann ich mich auf meinen Verhandlungspartner einstellen und mir überlegen, wo seine Interessen liegen. In Verhandlungen beziehen wir uns häufig nur auf Daten und Fakten, sehen dabei aber oft nicht, dass es auch den gemeinsamen Weg gibt. Das Beispiel von zwei Mädchen, die um eine Orange streiten, macht das deutlich: Die Mutter entscheidet, dass jede eine Hälfte bekommt. Doch hinterher zeigt sich, dass die eine den Saft wollte, die andere die Schale zum Backen. Wenn sie auf Interessen und nicht nur Fakten geachtet hätten, hätten beide mehr von der Orange gehabt.

Sollte man sich je nach Gesprächspartner unterschiedlich verhalten?

Wonerow:

Man kann es versuchen. Eine Möglichkeit ist, darauf zu achten, wie der andere formuliert. Wenn jemand sagt: "Ich sehe das anders" oder "Ich habe beobachtet", kann ich davon ausgehen, dass er eher visuell ausgerichtet ist. Also arbeite ich mit bildhafter Sprache und Visualisierungen, zum Beispiel Skizzen. Wer dagegen sagt, "Ich höre heraus", der ist auditiv ausgerichtet. Auch darauf kann ich mich einstellen.

Was macht man, wenn das Gegenüber nicht fair ist oder Druck ausübt?

Wonerow:

Das muss man ansprechen. Mancher Verhandlungspartner merkt gar nicht, dass er Druck ausübt - weil er nicht gelernt hat, anders zu verhandeln. Und wenn er Druck tatsächlich als Taktik nutzt, ist es für mich wichtig zu signalisieren: Ich habe dich durchschaut, ich weiß, wie du vorgehst. Allein das nimmt dem Druck einiges an Stärke.

Kann man trotz aller Win-win-Vorsätze auch eine Verhandlung verlieren?

Wonerow:

Sicher. Auch heute gibt es noch Verhandlungspartner, gegen die man verlieren kann. Spätestens am Schluss sollte man aber sagen, wie es einem mit dem Ergebnis geht. Sachlich, nicht beleidigt. Etwas wie: Ich fühle mich mit meinen Interessen nicht ernst genommen. So beweisen Sie selbst Verhandlungskompetenz und innere Stärke. Und der andere kann sich ein bisschen weniger über seinen Sieg freuen. Das ist gut fürs eigene Selbstwertgefühl.