Für Arbeitslose über 50 sinken die Chancen auf einen neuen Job. Vorurteile erschweren reifen Bewerbern die Suche. Das raten Experten.

"Wenn Unternehmen sagen, sie setzen auf ältere Mitarbeiter, dann ist das gelogen", sagt Gerhard Rohmann. Er ist 51 und sucht seit gut zwei Jahren eine neue Festanstellung. Zuletzt war Rohmann als Bereichsleiter im Dokumenten-Management bei einem deutschen Konzern beschäftigt. Davor hatte er unter anderem als Vertriebs- und Marketingleiter bei einem Systemhaus für Post- und Mailmanagement gearbeitet und verantwortete Outsourcing-Projekte bei einem namhaften Hersteller von Druckern und Kopierern. Sein Lebenslauf ist eindrucksvoll.

"Ende 2008 ist mein Arbeitgeber voll in die Finanzkrise gerutscht und hat begonnen, Leute zu entlassen", sagt Rohmann. Doch da dachte er noch, mit seinen Erfahrungen, Zeugnissen und Kontakten sollte es nicht schwer sein, einen neuen Job zu finden. "Ich war ein halbes Jahr freigestellt. Währenddessen habe ich massiv Gas gegeben und mich beworben." Kontakt zu etwa 50 Unternehmen in Deutschland, Österreich und der Schweiz habe er in dieser Zeit gehabt - Bewerbungen, Telefonate, aber auch persönliche Treffen mit Geschäftsführern und Personalleitern. Was sie ihm vermittelten, war ernüchternd: "Du bist zu alt und zu teuer."

Dass Ältere für Unternehmen wertvoll sind, verstehen viele Firmen noch nicht

Auch Annedore Marscheider, Inhaberin der Bewerberberatung StellenWert in Bremen, bestätigt die Vorurteile. "Eigentlich sollten die Bewerber mit 50plus aufgrund der demografischen Entwicklung und des damit verbundenen Fachkräftemangels ein wertvolles Gut für Firmen sein", sagt sie. "Aber tatsächlich ist es noch nicht bei den Unternehmen angekommen, dass sie die Leute brauchen." Kleine und mittelständische Unternehmen will sie ein bisschen von der Kritik ausnehmen: "Die sind schon offener. Das sollte man gerade für Initiativbewerbungen wissen." Marscheider zählt die klassischen Vorurteile auf: Ältere seien anfälliger für Krankheiten, technisch nicht so sattelfest, unflexibel und erwarteten mehr Gehalt.

Wie viel Wahrheit in den Vorurteilen stecke, sei individuell sehr unterschiedlich. Marscheider rät dazu, solche Unterstellungen wenn möglich in der Bewerbung diskret zu entkräften. So sollten zum Beispiel im Lebenslauf unter Hobbys sportliche Aktivitäten aufgeführt sein. Gleiches gilt für Technik-Kenntnisse: "MS Office, Internetrecherche - so etwas sollten ältere Bewerber in ihrer Vita auflisten." Und zum Thema Gehalt sagt Bewerbungsberaterin Marscheider: "Man kann zum Ende des Anschreibens erwähnen, dass man sich gern ins Gehaltsgefüge des Unternehmens integrieren werde." Im Anschreiben zu jammern - à la "Bitte geben wenigstens Sie mir eine Chance" - ist verboten: "Außerdem besteht dazu ja gar kein Grund. Das sind oft gute Leute, sie können selbstbewusst auftreten."

Die Beschäftigungssituation der Älteren habe sich in den vergangenen Jahren insgesamt verbessert, hat jüngst eine Studie des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) ermittelt. Doch auch das belegt die Studie: Es ist weiterhin so, dass mit zunehmendem Alter bei Arbeitslosen die Chancen sinken, wieder einen Job zu finden.

Und Absagen kratzen am Ego. "Man muss sich immer wieder selbst motivieren und aufbauen", sagt Gerhard Rohmann. "Dennoch gibt es Phasen, da fühlt man sich einfach nur schlecht." Wichtig war für ihn das Verständnis seiner Frau und der beiden erwachsenen Töchter. Und seine Selbstständigkeit als Unternehmensberater - die er aber auch nach einem Jahr immer noch als Überganslösung sieht. Ziel ist nach wie vor der neue, feste Job.

Sich auf Stellen unter seiner Qualifikation oder für deutlich weniger Gehalt zu bewerben, ist nichts für Rohmann. Er will sich nicht unter Wert verkaufen. Diese Versuche wären ohnehin sinnlos, sagen Experten. "Die Firmen fürchten, dass derjenige den Job nur als Sprungbrett benutzt und sich weiter woanders bewirbt", sagt Birgit Dähmlow, die in Berlin die Beratung "Bewerbung easy" betreibt. Und wenn man ehrlich sei, würden die meisten in diesem Fall ja auch wirklich weitersuchen.

Ihr Tipp gegen Bewerbungsfrust: "Als älterer Bewerber muss man darauf achten, dass man sich in Unternehmen bewirbt, in denen Erfahrung und Kompetenz vor dem Alter rangieren." Für besonders schwierig hält sie Bewerbungen in Konzernen - ausgenommen für Führungspositionen - sowie in jungen Firmen "und dort, wo man wenig bezahlen will". Bewerber höheren Alters brauchen ihrer Erfahrung nach immer etwas länger als jüngere, bis sie wieder einen Job finden. In der IT-Branche hätten sie es besonders schwer, in Bereichen, wo es um Vertrauen geht, etwa in der Kundenbetreuung, hält Dähmlow die Chancen für besser. "Wichtig ist, die eigenen Pluspunkte herauszustellen."

Die da sind? "Die umfassende Erfahrung, große Routine und eine besondere Gelassenheit, wenn Probleme auftauchen", fasst Bewerbungsberaterin Annedore Marscheider zusammen. Diese Pluspunkte versucht auch Gerhard Rohmann in seinen Bewerbungen zu vermitteln. Er knüpft weiter Kontakte, recherchiert Stellenanzeigen, verschickt seine Unterlagen, besucht Messen - und hofft. "Ich gehe da jeden Tag wie in einen Boxkampf rein", sagt er. "Ich weiß, dass ich wahrscheinlich wieder Schläge einstecken werde, aber es muss doch möglich sein, auch selbst irgendwo zu punkten."