Der Stress in Gesundheitsjobs nimmt zu. Der UKE-Pflegedirektor Joachim Prölß rät, auch Kontakte außerhalb der Branche zu pflegen.

Die körperlichen und psychischen Belastungen in Gesundheitsberufen sind hoch. Joachim Prölß, Direktor für Patienten- und Pflegemanagement am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf (UKE), glaubt, wer mit seinem Arbeitgeber verhandelt, kann oft flexibles Arbeiten durchsetzen.

Hamburger Abendblatt: Herr Prölß, Personalmangel und hohe Arbeitbelastung prägen den Alltag in deutschen Kliniken und Pflegeeinrichtungen. Bis zum Jahr 2020 werden laut Statistik 220 000 Fachkräfte fehlen. Warum ist Ihr Beruf so unattraktiv?

Joachim Prölß: Sicher haben Krankenschwester oder Pfleger als sogenannte helfende Berufe nicht gerade ein Glamour-Image. Doch gerade Pflegeberufe genießen ein sehr hohes Ansehen, weil sie viel Verantwortung, Lernbereitschaft und soziale Kompetenz verlangen. Wer das nicht will oder mitbringt, ist ohnehin falsch in diesem Beruf.

Schreckt nicht eher die schlechte Bezahlung ab?

Prölß: Hier steht der Verdienst in der Tat in keinem Verhältnis zum Grad der Verantwortung, die ein Pfleger oder eine Krankenschwester im Vergleich mit vergleichbar bezahlten Berufen tragen muss. Allerdings: Nach der Ausbildung liegt der Bruttoverdienst bei rund 2100 Euro und steigert sich mit den Jahren der Berufserfahrung. Hinzu kommen diverse Zuschläge. Das ist, objektiv betrachtet, so schlecht nun auch wieder nicht.

Auch die hohe Arbeitsbelastung und die Schichtarbeit dürften viele Bewerber davon abhalten, sich für die Pflege zu interessieren. Oder auch ausgebildete Kräfte veranlassen, den Beruf wieder zu wechseln.

Prölß: Sicher gibt es Tage, an denen Überstunden anfallen, aber in der Regel achten die Vorgesetzten auf die Einhaltung und vor allem die ausgewogene Gestaltung der Dienstpläne. Daneben bemühen sich die meisten Einrichtungen auch darum, auf die Lebenssituation und Bedürfnisse der Angestellten einzugehen. Wer eine Familie hat und zum Beispiel nur tagsüber arbeiten will, kann in Anbetracht der Marktsituation durchaus mit seinem Arbeitgeber auch individuelle Arbeitszeitmodelle absprechen. Anderen machen Nachtschichten weniger aus, oder sie freuen sich sogar, weil sie über Zuschläge das Einkommen erhöhen können.

Offenbar gibt es einen bestimmten Menschentypus, der für diesen anspruchsvollen Beruf besonders geeignet ist. Wie sieht idealerweise das Psychogramm Ihrer Bewerber und Mitarbeiter aus?

Prölß: Es stimmt schon, dass eine gewisse mentale und physische Stärke vorhanden sein sollte, um die Belastungen dieses Berufs durchstehen zu können. Die Fähigkeit, mit Menschen in Kontakt zu treten und zu kommunizieren, ist in diesem Beruf ebenso wichtig wie eine gewisse charakterliche Reife. Schließlich geht es darum, von der eigenen Kraft etwas abzugeben. Eine gewisse Gelassenheit schadet auch nicht.

Und wie sieht es mit den fachlichen Voraussetzungen aus?

Prölß: Wer in einem Pflegeberuf arbeitet, sollte in jedem Fall ein naturwissenschaftliches Grundverständnis mitbringen, sich für Biologie und Mathematik interessieren. Schließlich muss man heute Hightech-Maschinen bedienen können und in jedem Fall Medikamente oder Infusionen exakt berechnen können. Hier können Fehler fatale Folgen haben.

Viele Fehler passieren ja auch aufgrund der hohen mentalen und physischen Belastungen. Wie lassen die sich vermeiden?

Prölß: In diesem Beruf herrscht die Tendenz, sich in seinem kollegialen Umfeld einzugraben und um die täglichen Themen zu kreisen. Ich rate hier dringend zu mehr Abstand. Der entsteht vor allem durch aktive Freizeitgestaltung wie Sport oder ein Hobby, das einen ausfüllt - etwa Musik. Auch die Familie oder ein ganz anderes soziales Netzwerk schafft Abstand und seelischen Ausgleich.

Burn-out ist momentan ja leider in aller Munde. Überfordern sich viele auch aus eigenem Ehrgeiz?

Prölß :Ja, wie in anderen Berufen auch. Hier sind die Führungskräfte gefragt, sehr wachsam zu sein und zu sehen, wo jeder Mitarbeiter steht oder wo er Unterstützung braucht. Bei uns im Haus gibt es regelmäßige Supervision und eine Beauftragte für psychosoziale Fragen, die jederzeit bei Problemen ansprechbar ist. Ich kann nur jeder Pflegeeinrichtung raten, solche Unterstützung anzubieten, wenn sie ihre Mitarbeiter halten wollen.